Prozess in New York: „El Chapo war entbehrlich geworden“

Prozess in New York: „El Chapo war entbehrlich geworden“
Schwere Urteilsfindung - Jury tagte, Autor und Experte Don Winslow sagt, dass sich nichts ändern wird

Während die zwölf Geschworenen im Drogen-Prozess um El Chapo trotz erdrückender Beweislast seit Montag ergebnislos über ein Urteil beraten, macht ein weltbekannter Autor mit einem Zwischenruf auf sich aufmerksam. Don Winslow, der mit „Das Kartell“ und „Tage der Toten“ millionenfach verkaufte Klassiker mit großer Detail-Kenntnis über Mexikos Narco-Kartelle und Amerikas „war on drugs“ geschrieben hat, hält den Ausgang des seit November laufenden Verfahrens aus der Vogelperspektive betrachtet für irrelevant.

„Es spielt keine Rolle“. Am Drogen-Problem ändere sich nichts, wenn El Chapo nach dem Willen der Staatsanwaltschaft lebenslänglich hinter Gitter kommen sollte, schreibt der in Kalifornien lebende ehemalige Privat-Detektiv in Vanity Fair.

Nach der Festnahme des langjährigen Chefs des Sinaloa-Kartells 2016 habe der Schmuggel von Kokain, Heroin und Methamphetaminen in die USA kein bisschen abgenommen.

Während Joaquín Guzmán alias El Chapo aus dem Verkehr gezogen war, hätten zu Rivalen gewordene ehemalige Partner wie Ismael Zambada das Revier übernommen. Von einem Sieg im Kampf gegen die Drogen zu reden, falls El Chapo verurteilt werde, verbiete sich.

Die Liste gefasster Drogenbarone von Miguel Angel Gallardo über Carlos Lehder bis Pablo Escobar und Amado Carrillo Fuentes sei lang; ohne dass sich dies nennenswert bemerkbar gemacht habe.

Prozess in New York: „El Chapo war entbehrlich geworden“

Drogen im Überfluss

Im Gegenteil: „Drogen sind im Überfluss vorhanden, viel wirksamer und billiger als jemals zuvor“, schreibt Winslow, der seit 20 Jahren über das Thema forscht und bei der Drogenbehörde DEA, der Bundespolizei FBI, dem Geheimdienst CIA hohes Ansehen genießt und aus Recherche-Gründen mit Drogenhändlern, Abhängigen, Verurteilten und Angehörigen von Opfern des Drogen-Krieges in Kontakt stand.

Nach Winslows Expertise ist Guzmán in erster Linie seinesgleichen zum Opfer gefallen. „Gangster-Bosse bleiben an der Macht, solange sie anderen Geld einbringen. El Chapo begann andere Leuten Geld zu kosten.“

Durch seinen Drang nach Publicity (Guzmán traf sich vor seiner Verhaftung 2016 mit Hollywood-Star Sean Penn und wollte, dass seine Lebensgeschichte verfilmt wird) habe er noch stärker die Aufmerksamkeit der Behörden auf das Drogengeschäft gelenkt – und damit gestört. Ohne Zustimmung anderer Kartell-Bosse und des mexikanischen Staates wäre Guzmán mutmaßlich nie an die USA ausgeliefert worden, sagt Winslow und bilanziert: „Er war entbehrlich geworden.“

Am Ende seines Zwischenrufs wird Don Winslow grundsätzlich: Solange es Käufer von Drogen gebe, werde es Verkäufer geben. Und damit die Kartelle. Amerika müsse sich fragen, was es ist, dass seine „Seele korrumpiert“.

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