Mexikos Lehrer gehen auf die Barrikaden

Die jüngste Bildungsreform von Präsident Enrique Pena Nieto stößt Mexikos Pädagogen sauer auf.

Seit Tagen ist der Zocalo-Platz im Herzen von Mexiko City großflächig von Nylonplanen überspannt. Tausende Lehrer sind in die Hauptstadt gezogen, um ihren Unmut über die jüngst von Präsident Enrique Peña Nieto verfügte Bildungsreform auszudrücken. Am Mittwoch legten knapp zehntausend Pädagogen mit einem Protestmarsch stundenlang eine der Hauptverkehrsadern der Millionen-Metropole lahm.

Mexikos Lehrer gehen auf die Barrikaden
Teachers from Mexico's southern states belonging to the dissident teacher's union CNTE camp as they take part in a protest against the educational reform proposed by the federal government at Zocalo square in Mexico City August 26, 2013. Schoolteachers in Mexico City staging disruptive protests against education reform have fired a warning shot at President Enrique Pena Nieto's government as it prepares to push an ambitious economic agenda through Congress. On the left is the Metropolitan Cathedral. REUTERS/Henry Romero (MEXICO - Tags: EDUCATION CIVIL UNREST POLITICS)
In den Bundesstaaten Oaxaca, Michoacan, Tabasco und Guerrero streiken die Lehrer seit Beginn des Schuljahrs Anfang vergangener Woche. Hunderttausende Schüler erhalten dort keinen Unterricht. Das Kinderhilfswerk UNICEF ruft alle Beteiligten auf, den Streit zum Wohle der Kinder beizulegen.

Verschiebung der Machtverhältnisse

Die umstrittene Reform dürfte das Bildungssystem des Landes in seinen Grundfesten erschüttern. War bisher die größte Lehrer-Gewerkschaften quasi autonom für die Personalplanung verantwortlich, so soll diese Kompetenz nun zentral nach Mexiko City wandern. Das bisherige System hätte mitunter sogar dazu geführt, dass Eltern, die als Lehrer tätig waren, den Job an ihre Kinder vererben konnten, so die Argumentation von Regierungsseite.

Viele der Lehrer, die nun auf der Straße sind, hätten mit einer solchen Änderung grundsätzlich kein Problem, vielmehr sind die Gründe für den Protest genauso divers wie Mexikos Bevölkerung. So befürchten etwa Pädagogen aus dem Süden, dass die in ihrer Region dominanten, wie korrupten, kleineren Gewerkschaften von einer solchen Änderung nicht erfasst würden. Wieder andere Lehrer haben Angst, dass etwa "zweite Muttersprachen", die nicht per staatlichem Diplom erworben wurden, bei der Beurteilung der Qualifikation keine Rolle mehr spielen würden.

Klamme Kassen

Mexikos Lehrer gehen auf die Barrikaden
Teachers from Mexico's southern states belonging to the dissident teacher's union CNTE camp take part in a demonstration against the educational reform around the Los Pinos presidential residence in Mexico City August 28, 2013. Schoolteachers in Mexico City staging disruptive protests against education reform have fired a warning shot at President Enrique Pena Nieto's government as it prepares to push an ambitious economic agenda through Congress. The poster reads, "Mexico does not have President". REUTERS/Edgard Garrido(MEXICO - Tags: CIVIL UNREST POLITICS EDUCATION)
Überregional sind dagegen nur zwei Kritikpunkte. Zum einen ein zentral installiertes, regelmäßiges Evaluierungsprogramm, welches Mexikos Schüler vor allem in internationalen Vergleich konkurrenzfähiger machen soll - Mexiko belegte bei der PISA-Studie 2009 unter den OECD-Ländern den letzten Rang.

Zum anderen würde die Reform internationalen Großkonzeren wie Coca Cola, Pepsi oder Bimbo (einem der größten Backwarenhersteller der Welt) Tür und Tor in die Schulen des Landes öffnen. Denn Mexiko investiert zwar - worauf das Ministerium nicht müde wird hinzuweisen - relativ zu den sonstigen staatlichen Ausgaben nach Neuseeland am meisten in die Bildung seiner Bürger, doch diese Zahl ist mehr Schein als Sein.

Ein Blick auf die OECD-Zahlen von 2010 spricht da schon eine deutlichere Sprache - so gab Österreich etwa 231 Millionen Dollar für alle drei Bildungssektoren aus, Mexiko 235 Millionen. Das Problem: Österreich hat acht, Mexiko knapp 115 Millionen Einwohner. Die von der Regierung dringend benötigte Finanzkraft der Großunternehmen würde laut Nieto "positive Auswirkungen" auf die Gesamtsituation haben, die Lehrer fürchten dagegen, dass statt der Anschaffung von fehlenden Unterrichtsmaterialien eine Junkfood-Invasion über die Schulhöfe hereinbrechen werde.

Ein aufgebrachter Lehrer bringt es auf den Punkt: "Wir werden bleiben, bis die Behörden uns Antworten liefern." Unterdessen bereitet sich die Polizei in Mexiko-Stadt auf weitere Proteste vor. Am Sonntag präsentiert Präsident Enrique Pena Nieto den ersten Regierungsbericht seiner Amtszeit. Zahlreiche gesellschaftliche Gruppen haben Demonstrationen gegen die Reformvorhaben der Regierung angekündigt.

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