Dabei klatschten ihm nicht nur immer größere Regentropfen ins Gesicht, immer wieder war seine Stimme kaum auszumachen. Denn von der Nebenstraße schallte D:Reams „Things Can Only Get Better“ aus den Lautsprechern von Anti-Brexiteer Steve Bray. Er spielte jenen Partyhit, der von der Labour-Partei im Wahlkampf 1997 verwendet wurde. Eine Wahl, die Labour mit einer Mehrheit von 179 Sitzen und insgesamt 418 Sitzen höher gewann als jede andere. Eine deutliche Botschaft.
Auch der Zeitpunkt der heurigen Wahl könnte den Konservativen als schlechtes Omen ausgelegt werden. Das letzte Mal fanden Wahlen 1945 im Juli statt. Auch diese konnte Labour mit insgesamt 393 Sitzen für sich entscheiden konnte.
Wieso jetzt?
Und so fragen sich nicht nur die Journalisten, sondern auch Politiker: Wieso jetzt? Weshalb lässt Rishi Sunak die Wahl in sechs Wochen abhalten, wenn er bis Jänner 2025 Zeit hätte? Zu einem Zeitpunkt, an dem die Konservativen je nach Umfrage 19 bis 25 Prozentpunkte hinter der Labour Partei liegen.
Wo die NHS-Wartelisten für einen Klinikplatz, die er doch kappen wollte, länger sind als jemals zuvor. Und mit 9.800 Personen heuer mehr Menschen denn je auf kleinen Schlauchbooten, die Rishi Sunak doch stoppen wollte, den Ärmelkanal überquert haben.
Rishi Sunak, fasste es der britische Politikwissenschafter John Curtice für die BBC zusammen, „ist entweder sehr mutig oder extrem töricht“.
Es ist die Wirtschaft
Und doch könnte jetzt Sunaks bester Zeitpunkt sein.
„Er hat uns alle überrascht“, meinte BBCs Emma Barnett Donnerstagfrüh. Und vielleicht war Sunak damit gerade schnell genug eine Revolte zu verhindern. Noch Mittwochabend berichtete die Plattform UK Fact Check Politics, dass Rebellen an einem Plan arbeiten würden, Sunak noch bis kommenden Donnerstag des Amts zu entheben und die Wahlankündigung rückgängig zu machen.
Dazu kommt der – leichte – Wirtschaftaufschwung. Im Mai gab es endlich wieder ein Wirtschaftswachstum, wenn auch mit 0,6 Prozent ein schwaches. Die Inflation, die im Oktober 2022 11,1 Prozent betrug, hat sich auf 2,6 Prozent eingependelt. Und die Gehälter sind in den vergangenen zehn Monaten stabil gewachsen. Er habe das Ruder herumgerissen, meint Sunak.
Zuerst die Wahl dann der Flug
Doch sein wahres Wagnis ist die Migration. Obwohl sich die obersten Richter des Landes dagegen ausgesprochen und sich das Oberhaus so lange wie möglich quer gelegt hat, hat das Parlament im April den umstrittenen Ruanda-Deal zum Gesetz gemacht. Das erste Flugzeug soll im Juli abheben - nach der Wahl. "Wählt für mich, wenn ihr die Ruanda-Flüge abheben sehen wollte", fasst der konservative Telegraph Sunaks Plan zusammen. Denn Labour-Chef Keir Starmer hat bereits angekündigt, den Entschluss rückgängig zu machen.
Aber ist das nicht verkehrt, fragte die BBC Sunak. Wäre es nicht besser zuerst zu beweisen, dass sein Plan aufgeht und dann wählen zu lassen? Oder hat er Sorge, dass sein Plan nicht aufgehen könnte?
Wähler verunsichert und verärgert
Die 43-jährige Britin Sam, die Donnerstagmittag im St. James Park hinter den Regierungsgebäuden sitzt, schüttelt den Kopf. „Was für ein Durcheinander! Es ist also würde er sein eigenes Kündigungsschreiben verfassen.“
Doch sie ist nicht nur verärgert, sie fühlt sich auch zerrissen: „Ich fühle mich als Wählerin heimatlos.“
Die Britin Alice, die ein paar Meter weiter mit Freund Stuart spazieren geht, weiß hingegen genau, wen sie wählen wird: „Zu 100 Prozent. Wir haben ja traditionell ein Zwei-Parteien-System. Und wenn man auf das eine Pferd nicht setzen kann, muss es das andere sein. Und so wie jetzt, wenn alle Dinge schlimmer sind, als sie je waren: die Armut ist schrecklich, die Kriminalität ist schrecklich, ja sogar die Wasserqualität ist schrecklich.“ Da gebe es wirklich nicht viel zu überlegen.
Doch ausruhen darf sich Labour auf die schlechten Werte der großen Gegenpartei nicht. „Ignorieren Sie die Umfragen“, appelliert der frühere Presse-Chef der Labour-Partei Adrian McMenamin, „diese Wahl ist noch lange nicht gewonnen.“
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