Lukaschenko und die "Show für den Westen"

Vor der UNO – Lukaschenko zeigt sich auf internationalem Parkett
Präsidentenwahl: Kein Wahlkampf, keine Konkurrenz, kein Protest – Lukaschenko inszeniert sich als Friedensstifter.

Von zivilem Ungehorsam wird Arsen dieses Jahr Abstand nehmen. Er hat jetzt Familie, ein kleines Kind, ein kleines Unternehmen, eine Wohnung – und davon Abstand genommen, nach eigener alter Tradition im Wahlkampf einen Lackstift mit sich zu tragen, um fern von Beobachtung rasch ein Plakat zu "verschönern" oder irgendwo einen Slogan hinzukritzeln, seiner Wut Luft zu machen. Er wird es nicht mehr tun. Seinen echten Namen will er dennoch nicht publiziert wissen – " das wäre nicht gut."

Am Sonntag wird gewählt in Weißrussland. Oder wie er sagt: "So in der Art." Es finden Wahlen statt. Es geht um die fünfte Amtszeit von Präsident Alexander Lukaschenko. Überraschungen sind nicht zu erwarten. Lukaschenko, Amtsinhaber seit 1994, wird die Wahl gewinnen, das steht auch laut unabhängigen Umfragen fest. Die wirtschaftliche Schieflage in Weißrussland, die Inflation – all das wird daran nichts ändern. Unter den drei Gegenkandidaten findet sich gerade einmal eine, die zumindest von manchen nicht als regimetreuer Sparringpartner sondern als "echte Opposition" bezeichnet wird. Kritiker wiederum sehen hinter der bisher völlig unbekannten Kandidatin Tatjana Korotkewitsch ebenfalls den Geheimdienst KGB. Jener Dienst, der in den vergangenen Jahren vor allem damit beschäftigt war, die Strukturen der Opposition konsequent auszuradieren.

"Stabilität"

Im Wahlkampf, der keiner war, ging es vor allem darum, Wähler zu mobilisieren, weil es eine mindestens 50-prozentige Beteiligung für die Gültigkeit braucht – die Auszählung ist dann ohnehin Sache einer fast zu 100-Prozent hörigen Wahlkommission. Was Themen angeht, so ging es vor allem um "Stabilität". Und dabei vor allem darum, was passiert, wenn Stabilität fehlt: In voller Breite wurde da der Ukraine-Krieg vorgeführt. Schwarz-Weiß-Malerei alter Manier mit einer großen Prise Angst und der willkommenen Chance, Lukaschenko als Friedensstifter in Szene zu rücken. Die Minsk-Gespräche haben ihm, dem im Westen geächteten, die Chance geboten, sich in nie dagewesener Weise auf internationalem Parkett zu zeigen. Aber vor allem: Sich als Brücke zwischen Russland und der EU als unverzichtbar zu inszenieren.

Und Lukaschenko kann mit ruhigen Wahlen rechnen. Nach den Wahlen 2005 und 2010, die von Protesten begleitet worden waren, zeichnen sich heuer keinerlei Unruhen ab. Nur der Aufbaus einer russischen Luftwaffenbasis in Weißrussland erregte Protest. Letztlich sprach sich aber Lukaschenko selbst gegen die Basis aus. Auch das Team um Korotkewitsch ruft nicht zu Protest auf. Alle anderen, die dazu in Frage kämen, sind ins Ausland geflohen, in Haft oder halten still.

"Es wird keinen Wahlsieger geben, weil es keine Wahlen gibt", sagt Andrej Sannikau, Kandidat 2010, danach lange inhaftiert und heute im Exil in Polen. Dennoch sind die Wahlen seiner Ansicht nach nicht ohne Bedeutung. Er nennt sie "eine Show für den Westen". Eine, die Konsequenzen haben könnte: Die EU etwa könnte sie als glaubwürdig beurteilen und Sanktionen gegen Regimevertreter lockern, sagt Sannikau. "Die EU könnte auch dem Glauben erliegen, Weißrussland sei reformierbar."

Fallbeispiel Ukraine

Veränderungen, so sagt Sannikau, seien nur bei einem Erfolg in der Ukraine möglich. Einem Sieg der Demokratie. Oder durch einen Absturz der weißrussischen Wirtschaft, die angesichts der bestehenden Krise den Import von Produkten aus Europa forciert, die in Russland Sanktionen unterliegen, um sie weiter nach Russland zu schleusen.

Arsen, der sich heuer politischen Aktivismus verbietet, sagt: "Formelle Opposition führt zu nichts in diesem Land." Aber der Tag werde kommen, an dem sich Gruppen bilden – "neue Kräfte, Zellen, Guerillas". Und dann werde wieder der Lackstift ausgepackt.

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