Portugal-Wahl: Roter Hasardeur ging aufs Ganze und knackte den Jackpot

„Chronisch und leicht nervtötend“ sei sein steter Optimismus, sagte Portugals Präsident Marcelo Rebelo de Sousa einmal über „seinen“ Premier Antonio Costa. Im vergangenen Herbst paarte sich dieser Optimismus mit Wagemut: Der Sozialistenchef pfiff auf die weitere Unterstützung durch den marxistischen Linksblock sowie die Allianz von Kommunisten und Grünen und ging in vorzeitige Neuwahlen. Costa träumte von der absoluten Mehrheit im Parlament – und wider alle Umfragen schaffte er diese am Sonntag auch, er riskierte alles und gewann den Jackpot.
Wie das? Einerseits kam ihm das Wahlsystem zupass, nicht einmal 42 Prozent der Stimmen reichten für die absolute Mandatsmehrheit. Andererseits verfing das Stabilitätsmantra, das Costa ständig bemühte. Die Portugiesen straften die bisherigen Partner der Sozialisten ab, weil diese ihnen im Budgetstreit die Gefolgschaft verweigert hatten und so für den vorgezogenen Urnengang verantwortlich gemacht wurden.
Die Gewinner
Große Gewinner sind die Sozialisten, die mit knapp 42 % der Stimmen (fast 5 Punkte plus) eine absolute Mandatsmehrheit errangen. Die Rechtspopulisten von „Chega“ wurden mit 7,2 % drittstärkste Partei (fast sechs Punkte plus). Die Liberalen stießen von 1,3 auf 5 % vor
Die Verlierer
Die Konservativen blieben mit knapp 28 % gleich, kamen aber nicht an die Macht. Der Linksblock fiel von 9,5 auf 4,5 %, das Bündnis Kommunisten-Grüne von 6,3 auf 4,4 %
Zudem hat sich der 60-Jährige geschickt als Politiker der Mitte positioniert: Nach den harten Sanierungsjahren im Gefolge der Finanzkrise 2008 beendete Costa ab 2015 mit seinen Minderheitskabinetten den schmerzhaften Austeritätskurs, erhöhte den Mindestlohn von 505 auf 750 Euro oder nahm Beamten- und Rentenkürzungen der Vorgänger wieder zurück. Zugleich aber achtete er auf die Staatsfinanzen.
Gutes Pandemie-Management
Die Folgen: Zwischen 2016 und 2019 lag das Wirtschaftswachstum dank des angefachten Binnenkonsums, aber auch wegen des boomenden Tourismus deutlich über dem EU-Schnitt. Die Arbeitslosenrate fiel trotz Pandemie auf unter sieben Prozent, im benachbarten Spanien ist sie rund doppelt so hoch. Und auch im Management der Corona-Krise machte die Regierung nach Anfangsfehlern alles richtig.
Doch es gibt auch Schatten: Die Steuerlast ist sehr hoch, teilweise finden sich die frisch geschaffenen Jobs im prekären Niedriglohnbereich, die Mieten (gerade in Lissabon) sind kaum noch erschwinglich, viele, zumal die Jungen und besser Qualifizierten, wandern ab.

André Ventura, Chef der rechtspopulistischen Partei "Chega", durfte jubeln
Diese Themen, vermischt mit Asylwerber- und generell Ausländerfeindlichkeit, griff die rechtspopulistische Partei „Chega“ (Es reicht) auf. Sie konnte ihre Stimmenanzahl von 1,3 auf 7,2 Prozent bringen und stieg so zur drittstärksten Fraktion auf. Deren Stimmen fehlten letztlich den Konservativen, die sich schon ausgerechnet hatten, die Macht zu übernehmen – jetzt aber das Nachsehen haben.
"Dialog"
In einer ersten Reaktion streckte Antonio Costa die Hand Richtung Mitbewerber aus: „Absolute Mehrheit bedeutet nicht absolute Macht.“ Er versprach „Dialog“.
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