Portugal wählt ein neues Parlament - und kommt wohl nicht aus der Krise

Der bisherige Ministerpräsident Portugals, Luís Montenegro, könnte am Sonntag erneut als Wahlsieger hervorgehen
Zusammenfassung
- Portugal wählt zum dritten Mal in drei Jahren ein neues Parlament. Auch nach Sonntag wird keine stabile Regierungsmehrheit in dem südwesteuropäischen Land erwartet.
- Dem konservativen Ex-Ministerpräsidenten Luís Montenegro wird ein mutmaßlicher Interessenkonflikt vorgeworfen. Er kandidiert aber erneut.
- Zentrale Wahlkampfthemen sind Migration, Jugendarbeitslosigkeit und das marode Gesundheitssystem.
Als Luís Montenegro im März 2024 das Amt des portugiesischen Ministerpräsidenten antrat, rechneten die wenigsten damit, dass er Weihnachten noch im Amt verbringen würde. Zu groß war die Sorge, dass seine Minderheitsregierung den Staatshaushalt im Herbst nicht durch das Parlament bringen könnte. Doch es gelang. Und für einen kurzen Moment schien politische Ruhe in den krisengebeutelten Atlantikstaat eingekehrt zu sein.
Bis der rechtskonservative Regierungschef im März dieses Jahres über einen Korruptionsskandal stürzte - und das südwesteuropäische Land in vorgezogene Parlamentswahlen schickte. Es sind die dritten in drei Jahren. Seit 2019 hat keine portugiesische Regierung eine volle Legislaturperiode durchgehalten.
Was wird Montenegro vorgeworfen?
Montenegro wird ein Interessenkonflikt angelastet. Die Beratungsfirma seiner Familie soll von seiner Position als Ministerpräsident profitiert haben, so der Vorwurf. Als der Ministerpräsident im Februar die Vertrauensfrage im Parlament stellte, erlitt er eine vernichtende Niederlage und reichte seinen Rücktritt bei Präsident Marcelo Rebelo de Sousa ein. Montenegro beteuert seine Unschuld - und will nach der Wahl am Sonntag gestärkt zurückkehren.
Seine Chancen, erneut Premier zu werden, stehen tatsächlich nicht schlecht. Jüngste Umfragen sehen das von ihm geführte Mitte-Rechts-Bündnis Aliança Democrática (AD) mit 34 Prozent auf Platz eins. Dahinter folgt die Sozialistische Partei (PS) unter Pedro Nuno Santos mit 28 bis 30 Prozent. Stabile Regierungsmehrheiten sind damit allerdings wieder nicht in Sicht - und Koalitionsoptionen sind rar: Zu klein und zerstritten sind mögliche linke Partner der Sozialisten. Eine Große Koalition der beiden Volksparteien, wie es sie in Portugal zuletzt 1985 gab, gilt als ausgeschlossen.
Bliebe nur die rechtspopulistische Chega-Partei als möglicher Königsmacher für Montenegro. Bei den letzten Wahlen im Jahr 2024 erzielte sie ein Rekordergebnis und vervierfachte ihren Stimmenanteil auf 18 Prozent – in einem Land, in dem Rechtspopulismus zuvor kaum eine Rolle gespielt hatte. Ein weiteres Erstarken der Chega dürfte diesmal allerdings ausbleiben. Zudem hat Montenegro eine Zusammenarbeit mit der Partei von André Ventura, der offen mit der Politik von Donald Trump sympathisiert und auf migrationsfeindliche Rhetorik setzt, kategorisch ausgeschlossen – zumindest bislang. In seiner Partei mehren sich Stimmen, die einen Fall der Brandmauer fordern.

Der polternde Rechtspopulist André Ventura fuhr 2024 ein Rekordergebnis für die Chega-Partei ein (dt. "Genug").
Migration als Wahlkampfthema
Im Wahlkampf hat Montenegro jedenfalls versucht, im rechten Wählerlager zu fischen. So forderte seine Regierung kürzlich medienwirksam 18.000 Migranten auf, das Land innerhalb von drei Wochen zu verlassen. Weitere 78.000 sollen bald ähnliche Bescheide erhalten. PS-Spitzenkandidat Nuno Santos, der nach dem Wechsel von Ex-Premier António Costa nach Brüssel noch damit beschäftigt ist, die Partei neu aufzustellen, setzt sich unter anderem für eine Reform des Pensionssystems und eine Anhebung des Mindestlohns von derzeit 820 auf 1.000 Euro im Monat ein.
Noch immer gilt Portugal als ärmstes Land Westeuropas. Auch wenn es um den einstigen EU-Schuldensünder inzwischen wirtschaftlich besser bestellt ist: Seit 2016 ist die portugiesische Wirtschaft im Durchschnitt um 2,2 Prozent pro Jahr gewachsen. Für 2025 wird ein BIP-Wachstum von 2,4 Prozent prognostiziert, womit Portugal erneut weit über dem Durchschnitt der Eurozone liegt. Die Staatsverschuldung soll auf 93,3 Prozent des BIP sinken. Auch die Arbeitslosigkeit ist auf ein historisches Tief gefallen.

Oppositionsführer Pedro Nuno Santos hofft auf ein Comeback der sozialistischen Regierung.
Im Wahlkampf sind die hohe Jugendarbeitslosigkeit, der Fachkräftemangel, die Wohnungskrise oder das marode, unterfinanzierte Gesundheitssystem bestimmende Themen. Ebenso ausstehende Infrastrukturprojekte, wie etwa die lang überfällige Schnellzugverbindung in die spanische Hauptstadt Madrid.
Bei der Parlamentswahl im Vorjahr erreichte das rechtskonservative Bündnis AD 29,5 Prozent der Stimmen. Dahinter folgten die Sozialisten mit 28,7 Prozent. Die rechtspopulistische Chega erreichte einen Rekordwert von 18,1 Prozent der Stimmen.
Wahljahr in Portugal
Laut Umfragen sind wenige Tage vor der Wahl noch rund 15 Prozent der Wähler unentschlossen. Für die zehn Millionen Portugiesinnen und Portugiesen ist der Urnengang am Sonntag nur der Auftakt eines Superwahljahres: Im Herbst stehen landesweite Kommunalwahlen an und Anfang 2026 wird ein neuer Präsident gewählt.
Eine erneute Parlamentswahl wäre laut Verfassung übrigens frühestens sechs Monate nach Beginn der neuen Legislaturperiode möglich. Damit stellt sich einmal mehr die Frage, ob der nächste Premierminister Weihnachten im Amt verbringen wird – oder ob Portugal weiterhin im politischen Dauerkrisenmodus verharrt.
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