Vertrauensfrage: Portugals Regierung gestürzt

Die konservative Minderheitsregierung Portugals ist nach nur einem knappen Jahr im Amt gestürzt. Ministerpräsident Luís Montenegro verlor eine Abstimmung über die Vertrauensfrage im Parlament in Lissabon deutlich.
Integrität in Frage gestellt
Das Parlament lehnte am Dienstagabend die entsprechende Vorlage mit 142 zu 88 Stimmen ab. Sie war von Ministerpräsident Luis Montenegro am Donnerstag eingebracht worden.
Portugal steht somit vor der dritten vorgezogenen Parlamentswahl seit Anfang 2022. Präsident Marcelo Rebelo de Sousa könnte nun zwar einen anderen Politiker des Regierungsbündnisses Demokratische Allianz (AD) oder aber auch Oppositionsführer Pedro Nuno Santos von der Sozialistischen Partei PS mit der Bildung einer neuen Regierung beauftragen. Es gilt aber als wahrscheinlich, dass das Staatsoberhaupt das Parlament auflösen und Wahlen ausrufen wird.
Mögliche Neuwahl Mitte Mai
Rebelo hatte wegen der sich zuspitzenden Krise bereits vorige Woche einen für den Mittwoch geplanten Besuch in Estland abgesagt und vor Journalisten beteuert, er wolle für eine schnelle Lösung sorgen. Eine Neuwahl könne am 11. oder 18. Mai stattfinden, erklärte er damals.
Die Krise kam durchaus überraschend, denn der einstige EU-Schuldensünder verzeichnet auch nach dem Regierungswechsel vom Frühjahr 2024 weiterhin gute Wachstumsraten und eine historisch niedrige Arbeitslosigkeit bei anhaltend strikter Ausgabendisziplin. Doch seit einigen Wochen überschlagen sich die Ereignisse.
Was wird Montenegro vorgeworfen?
Die Opposition wirft Montenegro Vorteilsnahme vor. Das vom gelernten Juristen 2021 gegründete Beratungs- und Immobilienunternehmen Spinumviva soll demnach von der Position des Ministerpräsidenten profitiert haben, um Verträge mit Privatfirmen zu unterzeichnen. Der Regierungschef bestreitet jede Unregelmäßigkeit. Die Firma gehöre inzwischen nur seinen Söhnen. Informationen etwa zu den Kunden des Unternehmens gab er aber nicht preis.
Im Rahmen der Affäre überstand Montenegro immerhin zwei Misstrauensvoten. Da die Opposition aber trotzdem ihre Pläne für eine Untersuchungskommission nicht aufgeben wollte, stellte er die Vertrauensfrage. Die Neuwahl sei ein "notwendiges Übel". "Zwei Monate Instabilität sind besser als eineinhalb Jahre langsamer Zerfall", betonte der scheidende Regierungschef.
Der Ministerpräsident wollte keine lange zermürbende Untersuchung
Nach Einschätzung von Beobachtern nimmt Montenegro die mögliche Neuwahl in Kauf, weil er auf jeden Fall eine zermürbende Untersuchung verhindern wollte - und weil sein Bündnis AD laut Umfragen auf einen Sieg sogar mit einem besseren Ergebnis als im März 2024 hoffen kann. Der gestürzte Politiker kündigte bereits an, er wolle trotz der Vorwürfe wieder kandidieren.
Die vorerst letzte Wahl gab es erst am 10. März 2024, nachdem der damalige sozialistische Ministerpräsident António Costa wegen Korruptionsermittlungen gegen ihn und andere Regierungsmitglieder zurückgetreten war. Nach jetzigem Stand hat sich Costa allerdings nichts zuschulden kommen lassen. Der 63-Jährige ist inzwischen Präsident des Europäischen Rates.
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