Schäuble: Der unbequeme Sisyphos
Als knorrig, distanziert, ehrgeizig beschreiben ihn Parteikollegen. Als einen mit unnachahmlichem Durchhaltevermögen. Seit mehr als 40 Jahren sitzt Wolfgang Schäuble (72) im Bundestag. Er war Fraktionsvorsitzender, Kanzleramtschef, Innen- und Finanzminister. Nur aufs Kanzleramt musste er verzichten: Zwar galt der Baden-Württemberger jahrelang als Anwärter auf jedes hohe Amt im Staat, stand aber immer in der zweiten Reihe – der Jurist ist mehr Technokrat als charismatischer Parteiführer.
Mit Helmut Kohl, der Schäuble entdeckte und bei dessen Wahlkampf er 1990 von einem psychisch Verwirrten niedergeschossen wurde, spricht Schäuble heute kein Wort mehr. Mit der Spendenaffäre im Jahr 2000 musste nicht nur Kohl gehen, sondern auch dessen langjähriger Kronprinz Schäuble. Er hatte selbst ein Geldgeschenk unregistriert weitergeleitet, dies aber im Bundestag verleugnet. "Ich habe in meinem Leben schon zu viel meiner knapp bemessenen Lebenszeit mit dir verbracht", soll der Geschasste am Schluss gesagt haben.
Distanz zu Merkel
Angela Merkel förderte den Bruch noch. In einem offenen Brief forderte sie ein Ende des Systems Kohl, hievte sich so selbst an die Spitze. Verzichten wollte sie auf Schäuble aber nicht – schließlich war er es, der sie einst zur Generalsekretärin gemacht hatte. Duzfreunde sind die beiden aber bis heute nicht. Ein gemeinsamer Gang ins Kino blieb der einzig bekannte Ausflug ins Privatleben. Dass die beiden ihre Differenzen haben, ist in Berlin ein offenes Geheimnis – Schäubles oft überschäumendes Temperament tut sein Übriges, um seine Hardliner-Position zu verfestigen. Verzichten kann und will Merkel vorerst nicht auf ihn, zu groß ist sein Rückhalt in der Partei.
Ihm selbst scheint es zu gefallen, in der Griechen-Krise die erste Geige zu spielen, beschreibt er sich doch gern als Sisyphos – als einen, der trotz Widerständen nie aufgibt. "Ich bin nicht bequem, nicht pflegeleicht, ich bin loyal."
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