Politischer Neubeginn in Pakistan: Sharif zum Premier gewählt

Politischer Neubeginn in Pakistan: Sharif zum Premier gewählt
Die Opposition feiert damit ihr Comeback. Neuer, pro-westlicher Regierungschef steht allerdings vor großen Herausforderungen

Nach dem Misstrauensvotum gegen Imran Khan ist der pakistanische Oppositionsführer Shehbaz Sharif zum neuen Premierminister gewählt worden. 174 der 374 Abgeordneten stimmten für Sharif, wie Parlamentssprecher Ayaz Sadiq in der Hauptstadt Islamabad verkündete. Sharif gilt als eher pro-westlich. Er bezeichnete nach der Wahl die ökonomischen Probleme als große Herausforderung. "Wir werden Schweiß und Blut vergießen müssen, um die Wirtschaft wieder anzukurbeln."

Proteste im Vorfeld der Amtsenthebung 

Sharif hat angekündigt, das Verhältnis zu den USA verbessern zu wollen sowie zu Indien und China. Die Bewältigung der Wirtschaftskrise ist sein Hauptaugenmerk: "Wenn wir das sinkende Schiff retten müssen, brauchen wir von allen harte Arbeit und Einheit, Einheit und Einheit", erklärte er vor dem Parlament. "Wir stehen heute am Anfang einer neuen Ära der Entwicklung." Mit seinem Antritt geht eine Verfassungskrise in der Atommacht zu Ende.

In der Nacht hatten landesweit Zehntausende Menschen gegen die Amtsenthebung des ehemaligen Kricketstars Khan protestiert. Khans Regierungspartei PTI verkündete vor der Wahl einen massenhaften Rücktritt aus dem Parlament. Dutzende Abgeordnete verließen den Saal aus Protest.

Khan war in der Nacht auf Sonntag per Misstrauensvotum des Amtes enthoben worden. Vorausgegangen war eine tagelange politische Krise in dem südasiatischen Land. Der ehemalige Premierminister war wegen der schweren Wirtschaftskrise im Land zunehmend unter Druck geraten. Khan versuchte, mit einer Auflösung der Legislative dem Misstrauensantrag der Opposition zuvorzukommen. Das Oberste Gericht erklärte dies jedoch für ungültig. Khan will die neue Regierung nicht anerkennen. Nur Minuten vor der Wahl von Sharif am Montag kündigten die Abgeordneten seiner Partei geschlossen ihre Rücktritte an. Damit könnten innerhalb von zwei Monaten Nachwahlen für mehr als 100 Sitze notwendig werden.

Seit 1947 keine reguläre Amtszeit

Beobachter sehen auf den neuen Premierminister herausfordernde Zeiten zukommen. Preise für Benzin, Gas oder Lebensmittel waren in dem südasiatischen Land mit mehr als 220 Millionen Einwohnern zuletzt massiv gestiegen. Ex-Premier Khan musste kürzlich weitere Steuern einführen, damit der Internationale Währungsfonds (IWF) eine weitere Tranche aus einem Hilfsprogramm für das Land auszahlt.

Ex-Sportler Imran Khan erklärte sich zum Sieger

Imran Khan war August 2018 bis zuletzt Premierminister Pakistans.

Mit Sharif an der Spitze kann die bisherige Opposition jetzt bis August 2023 regieren. Sie hat angekündigt, nach einer Wahlreform die Abstimmung vorzuziehen. In dem Land mit 220 Millionen Einwohnern hat seit der Unabhängigkeit von Großbritannien 1947 noch nie ein Ministerpräsident eine reguläre Amtszeit zu Ende gebracht. Khan ist allerdings der erste, der durch ein Misstrauensvotum gestürzt wurde. Pakistan wurde fast die Hälfte der Zeit vom Militär regiert, die drei zivile Regierungen stürzte. Die Armee soll Analysten zufolge zum neuen Regierungschef gute Beziehungen unterhalten.

Die Parteien, die den neuen Premier Sharif gewählt haben, haben zudem wenig gemeinsam. Für Beobachter ist es fraglich, ob sie ihre individuellen Interessen in der Tagespolitik zusammenbringen können, um das Land in ruhigeres Fahrwasser zu bringen und effizient zu regieren. Hinzu kommt, dass der gestürzte Premier Khan weiter politisch mitmischen will. Er rief bereits zu Protest auf.

Die Familie Sharif

Der 70 Jahre alte Shehbaz Sharif stammt aus der Polit-Dynastie der Sharifs, einer Familie erfolgreicher Industrieller. Wie sein älterer Bruder Nawaz Sharif arbeitete er vor seiner Politikkarriere im Familienunternehmen. In seiner Heimat, der bevölkerungsreichen Provinz Punjab, war Shehbaz Sharif drei Amtszeiten lang Ministerpräsident und trieb vor allem Infrastrukturprojekte voran.

Nach dem Militärputsch 1999 und der Entmachtung seines älteren Bruders ging er mit seiner Familie ins Exil nach Saudi-Arabien. Acht Jahre später kehrte er zurück in die Politik, zunächst als Regierungschef in Punjab. 2018 wurde er in die Nationalversammlung gewählt, später zum Oppositionsführer gekürt. Der jüngere Sharif ist Vorsitzender der Pakistanischen Muslimliga (PML-N).

Seine Popularität verdanke er vor allem dem Image seines charismatischen Bruders, erklärt Irfan Shahzad, Experte beim Eurasia Century Institute in der Hauptstadt Islamabad. Er gelte als "Mann mit pragmatischem Ansatz" in der Beziehung zum mächtigen Militär. International unterhält Shehbaz Sharif gute Beziehungen zu China.

Der Familie der Sharifs wurde immer wieder Korruption vorgeworfen. Nawaz Sharif etwa tauchte in den "Panama Papers" auf, was ihn sein Amt als Premier kostete. Er wurde zu einer mehrjährigen Haftstrafe verurteilt. Sharif, dem im Land weiter ein Verfahren droht, war Ende 2019 für eine medizinische Behandlung nach Großbritannien geflogen.

Auch Shehbaz Sharif wurde mehrfach verhaftet und angeklagt. Nachdem sich Vorwürfe gegen Korruption nicht erhärteten, kam er wieder frei. Die Opposition sah derartige Vorwürfe politisch motiviert. Die Regierung unter dem aus dem Amt enthobenen Imran Khan begründete dies stets mit einem harten Durchgreifen gegen Korruption.

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