Polit-Chaos in Polen alarmiert EU, Regierung deutet Einlenken an

PiS-Chef Kaczynski mit Brille - wie Polens einstiger starke Mann, General Jaruzelski
Nach anhaltenden Protesten deutete die polnische Regierung einen Teilrückzug an. Krisentreffen am Mittwoch in Brüssel.

In Warschau geht es rund. Schon den vierten Tag in Folge blockierten am Montag Oppositionelle das Parlament. Auslöser des Protests war der Plan der rechtskonservativen Regierung, dass ab Jänner nur noch wenigen Journalisten der Zutritt zum Sejm erlaubt werden soll. Damit wäre das Gros der Reporter von der Berichterstattung aus dem Parlament ausgeschlossen – und Regierungspolitiker blieben von missliebigen Fragen verschont. Damit nicht genug, wurde das Budgetgesetz aufgrund der Protestaktion einfach in einem Nebensaal verabschiedet – unter Ausschluss der Opposition.

Die tobt, beklagt einen Bruch der Verfassung und fordert die Wiederholung der Abstimmung. "Da läuft was falsch mit der polnischen Demokratie", sagte der Chef der größten Oppositionspartei Bürgerplattform, Grzegorz Schetyna. Innenminister Mariusz Blaszczak sieht in der Blockadeaktion nur den Versuch der Opposition, die Macht an sich zu reißen.

Krisentreffen

Staatspräsident Andrzej Duda, Parlamentspräsident Marek Kuchcinski und der heimliche Regierungschef, Jaroslaw Kaczynski, Chef der rechtskonservativen Partei Recht und Gerechtigkeit (PiS), kamen zu einer Krisensitzung zusammen. Stunden nach Beginn des Treffens war noch immer nichts nach außen gedrungen.

Senatsmarschall Stanislaw Karczewski hatte da längst versucht, den Demonstranten den Wind aus den Segeln zu nehmen: Im Jänner werde die Regierung neue Vorschläge für die Arbeit von Parlamentsjournalisten vorstellen, sagte er, stellte aber kryptisch fest: "Gewisse Änderungen sind notwendig und werden umgesetzt."

Angriff auf Pressefreiheit

Kritiker sprechen so oder so vom nächsten Angriff auf die Pressefreiheit. Denn ein neues Mediengesetz ermöglicht es der Regierung bereits seit Anfang dieses Jahres, Spitzenposten in öffentlichen Medien nach ihrem Gusto zu besetzen. Mindestens 190 Journalisten sind nach Angaben des polnischen Christdemokraten Janusz Lewandowski von dieser "Säuberung der öffentlichen Medien" betroffen. "Das alles ist für die ganze Welt sichtbar, es ist weder zu verschleiern noch zu verleugnen."

Die großen Parteien im Europaparlament – Christdemokraten, Sozialdemokraten, Liberale, Grüne und Linke – waren sich schon im Oktober in ihrer Kritik an den Medien-, Polizei- und Anti-Terrorgesetzen einig. Die EU-Kommission beobachtet ohnehin seit dem PiS-Erdrutschsieg 2015 mit Argusaugen das Land. Seit Jänner läuft ein Verfahren der EU-Kommission wegen Verstößen gegen die Rechtsstaatlichkeit: Die Regierung hat die Ernennung mehrerer Verfassungsrichter rückgängig gemacht und das Höchstgericht entmachtet. Die Novelle wurde auf Druck Brüssels zwar entschärft, am Eingriffsrecht der PiS ändert das aus der Sicht von Kritikern aber nichts.

Ungarn blockiert die EU

Theoretisch könnte das EU-Verfahren mit dem Entzug der Stimmrechte Polens in der EU enden. De facto bedarf es dafür aber – abgesehen von Polen – der Einstimmigkeit. Ungarn spielt da aber nicht mit. Die EU-Kommission sucht weiter nach Wegen, um auf Warschau Druck auszuüben. Nächster Versuch: diesen Mittwoch, da hat Jean-Claude Juncker seine Kommission zusammengetrommelt.

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