„Für ihn“, so Janusz, auf seinen Sohn deutend. „Polen ist ein gutes Land, es soll nicht zerbrechen.“ Dann holt er sein Handy heraus, um den Sperrhintergrund zu zeigen: Das Foto eines lächelnden, kleinen Mädchens – Janusz’ Tochter, Oliwiers jüngere Schwester. Auch für sie seien sie heute hier, sagen die beiden. Frauenrechte gehören zu jenen Themen, die bei der Wahl als entscheidend gelten. Oliwier fügt hinzu: „Wir wollen uns die Demokratie und die Freiheit zurückerobern, die die PiS uns jeden Tag nimmt.“
In ihren vergangenen acht Jahren an der Macht baute die Regierungspartei unter ihrem Vorsitzenden Jarosław Kaczyński – er gilt als wichtiger Strippenzieher im Hintergrund von Ministerpräsident und Parteikollege Mateusz Morawiecki – Staat und Gesellschaft um.
Besonders polarisierten die umstrittene Justizreform, das Quasi-Abtreibungsverbot sowie das Faktum, die Medien im Land unter Regierungskontrolle gebracht zu haben. Punkten kann sie vor allem mit üppigen sozialpolitischen Versprechen.
EU-Sorgenkind
In der EU gilt Polen als Sorgenkind, immer wieder kommt es zu heftigen Auseinandersetzungen zwischen Warschau und Brüssel, besonders zum Thema Rechtsstaatlichkeit.
Janusz und Oliwier haben Angst, dass ihr Heimatland irgendwann aus der EU austritt oder rausgeschmissen wird, sollte die PiS weiterhin regieren. „Ich würde mir wünschen, dass Polen ein wichtiger Player in der EU wird“, sagt Janusz. Ob Donald Tusk da der richtige Kandidat ist? „Wer, wenn nicht er? Er ist ein charismatischer, globaler Kerl.“
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So etwas hört man unter seinen Anhängern oft über den 66-jährigen Tusk aus der Küstenstadt Danzig, der zwischen 2007 und 2014 bereits polnischer Ministerpräsident war. Von 2014 bis 2019 übte er dann das Amt des EU-Ratspräsidenten aus, Tusk ist der große Pro-Europäer in diesem Wahlkampf. Bei der Demonstration am Sonntag war er der Star, sein Foto auf zahlreichen Plakaten zu sehen.
Doch nicht alle, denen die PiS zu rechts ist, wählen Tusks KO. Gerade junge Wähler sympathisieren mit dem Linksbündnis Lewica, das den Protest ebenfalls unterstützte.
Oliwier etwa ist sich nicht sicher, wie viel Wandel ein Premier Tusk 2.0 wirklich für Polen bedeuten würde, aber: „Er ist besser als Kaczynski.“ Wie für viele polnische Stadtbewohner wäre für ihn eine Koalition der PiS mit der ultrarechten Partei Konfederacja, über die aktuell viel gemutmaßt wird, am schlimmsten.
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Aktuell auf Platz zwei
Tusk zeigte sich am Sonntag zuversichtlich, dass es am 15. Oktober zu einem Machtwechsel kommen werde: „Diese Kraft kann durch nichts mehr aufgehalten werden“, kündigte er euphorisch an. Ob er damit recht hat, ist aber fraglich.
Wahlprognosen sehen die Bürgerkoalition mit rund 27 Prozent klar auf Platz zwei, hinter der PiS mit 35 Prozent. Die überließ der Opposition Warschau am Sonntag übrigens, hielt parallel aber eine Wahlkampfveranstaltung im schlesischen Kattowitz ab. Der große Wunsch dort: Das „System Tusk“verhindern.
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