Präsidentschaftswahl in Polen: Pro-Europa oder doch Richtung Trump?

Polen steht vor einer richtungsweisenden Wahl – schon wieder. Am Sonntag sind die rund 30 Millionen Wahlberechtigten des Landes dazu aufgerufen, einen neuen Präsidenten zu wählen. Gleich 13 Kandidatinnen und Kandidaten stehen zur Auswahl. Zwei von ihnen werden realistische Chancen für das höchste Amt im Land eingeräumt – und sie könnten unterschiedlicher wohl nicht sein:
Der Warschauer Bürgermeister Rafał Trzaskowski, Kandidat der liberal-konservativen Bürgerplattform PO, und Karol Nawrocki, der von der nationalpopulistischen PiS-Partei unterstützt wird, dürften in die Stichwahl am 1. Juni einziehen.
Liberaler Kandidat
Trzaskowski steht für ein liberales Polen. Der Hauptstadtbürgermeister setzt sich u. a. für die Rechte sexueller Minderheiten und eine Liberalisierung des strengen Abtreibungsrechts ein. Umfragen zufolge soll er 32 Prozent der Wählerstimmen erhalten.
Der 53-Jährige blickt auf eine lange politische Karriere zurück: Er wirkte am EU-Beitritt Polens mit, war Europaabgeordneter und Minister. Bei der Präsidentschaftswahl 2020 verlor er nur knapp gegen Andrzej Duda, der nun nach zwei Amtszeiten nicht mehr antreten darf.
Trzaskowski hat zudem ein klar proeuropäisches Profil: Er studierte in Warschau, Oxford und Paris, spricht sechs Sprachen und schrieb seine Doktorarbeit über die Reform der EU.

Warschauer Bürgermeister und proeuropäischer Kandidat: Rafał Trzaskowski könnte nächster polnischer Präsident werden
Sein wohl größtes Problem: Trzaskowski begeistert in den Städten; Wähler im ländlichen Polen kann er kaum abholen. Viel mehr hat ihm sein intellektueller Hintergrund – sein Vater war ein bekannter Jazzmusiker – den spöttischen Spitznamen „Bonjour“ eingebrockt.
Trump-Fan tritt gegen ihn an
Sein größter Konkurrent Nawrocki kann gerade dort punkten, wo es Trzaskowski wehtut: auf dem Land. Dort gilt der Rechtskonservative als Kandidat, der sich für schärfere Grenzkontrollen und niedrigere Lebenshaltungskosten einsetzt.
Sein großes Idol ist Donald Trump. Von dem US-Präsident hat sich Nawrocki auch seinen Wahlspruch „Polen zuerst“ abgeschaut. Das geht vor allem gegen die fast eine Million geflüchteten Ukrainer, die seit Beginn des russischen Angriffskriegs ins Nachbarland geflohen sind.
Ukraine-Hilfen
Zwar will der konservative Historiker die Ukraine weiterhin unterstützen, die Leistungen für Flüchtlinge sollen aber massiv gekürzt werden. Vom ukrainischen Präsidenten Wolodimir Selenskij verlangt er – ganz in Trump-Manier – mehr Dankbarkeit. In Umfragen liegt Nawrocki mit rund 25 Prozent der Stimmen auf Platz zwei.

Karol Nawrocki, der von der PiS-Partei gestützt wird, kann in ländlichen Gegenden punkten
Und dann ist da noch jemand
Dritter im Bunde dürfte Slawomir Mentzen von der ultrarechten Konfederacja-Partei werden. Auch er ist ein Anhänger Trumps, gegen Migranten teilt er noch schärfer aus als Nawrocki. Sein Ass im Ärmel: Er ist weder PiS- noch PO-Kandidat. Und könnte damit Wähler ansprechen, die der beider Parteien, die die polnische Politik seit 20 Jahren prägen, überdrüssig sind.
Beobachter rechnen mit einem knappen Rennen am Sonntag. Groß ist bereits vor der Stichwahl die Sorge, dass das PiS-nahe Gericht einen knappen Wahlsieg Trzaskowskis für ungültig erklären und eine Wahlwiederholung anordnen könnte. Die Wahlmüdigkeit im Land würde damit wohl weiter befeuert.
Veto-Recht des Präsidenten
Wer künftig im Warschauer Präsidentenpalast sitzt, bestimmt den Kurs des osteuropäischen Landes maßgeblich. Denn: Der polnische Präsident hat ein mächtiges Veto-Recht; ohne seine Unterschrift tritt kein Gesetz in Kraft.
So hat der PiS-nahe Präsident Duda in den vergangenen zwei Jahren alles daran gesetzt, Donald Tusks liberal-konservativer Regierungskoalition das Leben so schwer wie möglich zu machen. In den Jahren zuvor hatte er sich hingegen den wenig schmeichelhaften Spitznamen „długopis“ (Kugelschreiber) erarbeitet. Weil der scheidende Präsident alles unterschrieben hat, was die PiS-Partei vorgelegt hat.
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