Polnischer Präsident wird vereidigt: Er will die Regierung sprengen

Karol Nawrocki
Der liberal-konservative, proeuropäische Regierungschef Donald Tusk ist es wohl mittlerweile gewohnt, dass der Präsident ihm einen Strich durch die Rechnung macht. 2023 ist der Ex-EU-Ratspräsident Premier geworden und hat damit die Macht der acht Jahre regierenden, nationalkonservativen Partei „Recht und Gerechtigkeit“ (PiS) geschmälert. Das Präsidentenamt aber hatte durchgehend der von der PiS gestützte Jurist Andrzej Duda inne. Damit konnte er Gesetze einbringen und blockieren sowie die Außenpolitik maßgeblich mitbestimmen.
Schon Duda hat Tusk die Arbeit mit Vetos erschwert, etwa beim sensiblen Thema Abtreibungen. Tusk ist mit dem Versprechen angetreten, das strenge Abtreibungsverbot zu lockern. Duda ließ das nicht zu. Der Effekt: Die polnische Regierung ist in gewissen Bereichen praktisch gelähmt und kann viele der Versprechen, für die sie gewählt wurde, nicht umsetzen. Schon jetzt sind Tusks Zustimmungswerte im Keller.
Unter dem neuen Präsidenten, der am heutigen Mittwoch angelobt wird, dürfte sich diese Dynamik nicht nur fortsetzen, sondern womöglich noch einmal zuspitzen. Der Historiker Karol Nawrocki, auch er wird von der PiS unterstützt, gewann die Wahl im Frühling knapp gegen Rafal Trzaskowski, den Kandidaten von Tusks Bürgerplattform (PO).
„Polen zuerst“
Nawrocki gilt als großer Fan von US-Präsident Donald Trump, den er auch vor der ersten Wahlrunde im Weißen Haus besuchte. Das Motto des Polit-Neulings: „Polen zuerst“, womit er auch die bislang große Unterstützung Polens für die Ukraine mehrfach infrage stellte. Er ist gegen die NATO-Mitgliedschaft der Ukraine und warf dieser vor, „keine Dankbarkeit für das zu zeigen, was die Polen getan haben“.
Vergangene Woche telefonierten Nawrocki und der ukrainische Präsident Wolodimir Selenskij dann miteinander und vereinbarten ein Treffen. Man werde nach Formen der Zusammenarbeit suchen, „die für unsere beiden Länder und unsere Bürger echte Ergebnisse bringen werden“, so Selenskij auf der Plattform X.
Die aktuelle polnische Regierung hält der neue Präsident für „die schlechteste in der Geschichte“ des demokratischen Polens. Er kündigte an, ein „aktiver Präsident“ sein zu wollen, möchte die Regierung mit verschiedenen Gesetzesvorschlägen „anregen“. Besonders außenpolitisch könnte er da an seine Grenzen stoßen, meinen Experten. Hier fehle ihm die Erfahrung und er stehe mit Donald Tusk plus dessen Vize bzw. Außenminister Radoslaw Sikorsk, der ebenfalls jahrelang in Brüssel arbeitete, zwei erfahrenen Europäern gegenüber.
Tusk hat kürzlich die Regierung umgebaut, um sich für die nächsten zwei Jahre besser aufzustellen. Er zweifelt nicht daran, „dass Herr Nawrocki alles tun wird, um uns zu schikanieren“, wie er in einem Interview sagte. Tatsächlich ist davon auszugehen, dass die PiS weiter versuchen wird, die Mitte-links-Koalition zu demontieren. Oder sie zumindest so weit zu lähmen, dass sie bei der nächsten Wahl keine Mehrheit mehr schafft.
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