Auftragsmorde, Drogenlisten, Verrat: Machtkampf auf den Philippinen

Der Machtkampf zwischen Ferdinand Marcos Jr. und Sara Duterte droht das Land in den Abgrund zu reißen
Der Machtkampf zwischen Marcos und Duterte ist so reich an Brutalität, Verrat und unvorhergesehenen Wendungen, dass er Stoff für einige Dramen böte.

„Wenn ich getötet werde, dann bring Ferdinand Marcos Jr. um, dazu Liza Araneta und Martin Romualdez.“ Diese Worte stammen von keiner Geringeren als Sara Duterte, Vizepräsidentin der Philippinen. Diejenigen, die der Auftragsmörder im Falle ihres Ablebens töten soll, sind der philippinische Präsident, dessen Frau und dessen Cousin – Parlamentspräsident des 115-Millionen-Einwohner-Staates

Diese Episode ist nur eine von vielen in einem Machtkampf zwischen zwei Familiendynastien, der so reich an Brutalität, Verrat und unvorhergesehenen Wendungen ist, dass er Stoff für einige Dramen böte. Die Lage ist ernst. Sowohl für die Bevölkerung als auch geopolitisch.

Die Protagonisten: Diktatoren-Dynastie gegen Haudrauf-Clan

Auf der einen Seite: die Familie Marcos. Nach Jahren der Diktatur einst aus dem Amt gejagt, nun zurück auf dem Thron. Auf der anderen Seite: die Dutertes, eine Familie, die vor allem im Süden über eine starke Basis verfügt. Ihr bekanntestes Mitglied, Rodrigo Duterte, Vater der jetzigen Vizepräsidentin, war von 2016 bis 2022 Präsident – und wurde im März festgenommen, sitzt derzeit am Internationalen Strafgerichtshof in Den Haag in Untersuchungshaft.

Der Verdacht: Verbrechen gegen die Menschlichkeit im Zusammenhang mit seinem umstrittenen „Krieg gegen die Drogen“. Tausende Menschen wurden ohne Gerichtsverfahren erschossen. Duterte präsentierte sich als Haudrauf. Filipinos erzählten sich Heldengeschichten davon, wie Duterte persönlich Korrupte und Drogendealer getötet haben soll.

Dabei schienen beide Dynastien vor wenigen Jahren eine schier unüberwindliche Allianz zu bilden: Marcos Jr., Sohn des gleichnamigen Ex-Diktators, fuhr mit Unterstützung Sara Dutertes 2022 einen überragenden Wahlsieg ein. Der Frieden sollte nicht von langer Dauer sein.

Angelobung von Marcos und Duterte: Eine kurze Zeit lang schien für die beiden alles zu funktionieren

Machtkämpfe um Posten und Verstimmungen über die außenpolitische Ausrichtung Marcos erschütterten bald die Allianz. Rodrigo Duterte hatte in seiner Amtszeit mit der Tradition, die USA als unbedingten Verbündeten zu sehen, gebrochen und stattdessen versucht, auch von China zu profitieren. Marcos‘ Linie ist jedoch wieder klar pro Washington. 

Dutertes Sohn auf Drogenliste

Die Dutertes werfen ihm vor, „die Souveränität des Landes zu verkaufen“. Plötzliche „Enthüllungen“ nahmen zu. Im vergangenen Juli veröffentlichte die philippinische Drogenbehörde eine Liste mit „hochrangigen Persönlichkeiten“, die unter Drogeneinfluss oder -verdacht stünden. Auf dieser Liste: Paolo Duterte, Sohn des Ex-Präsidenten, aktueller Abgeordneter. 

Die Lage eskalierte, die öffentlichen Angriffe nahmen zu. Mit Sara Dutertes Auftragsmord-Drohung erreichte der Streit eine neue Qualität – das Repräsentantenhaus votierte im Februar für ein Amtsenthebungsverfahren der Vizepräsidentin

Rückenwind für die Dutertes

Doch dieses muss noch durch den Senat gehen. Und wird es wahrscheinlich nicht. Denn am Montag fanden Zwischenwahlen statt, bei denen unter anderem die Hälfte des 24-köpfigen Senats gewählt wurde. Und dort konnte das Duterte-Lager einige Erfolge verbuchen: 

Wichtige Verbündete der Dutertes gewannen überzeugend die Wiederwahl. Allen voran Christopher Go, ein ehemaliger Berater von Rodrigo Duterte, der die meisten Stimmen aller Senatoren erhielt, und Ronald de la Rosa, der ehemalige nationale Polizeichef während Dutertes umstrittenem Drogenkrieg. Beiden droht wegen deren Rolle im Drogenkrieg eine Anklage vor dem Internationalen Strafgerichtshof.

Schwester wechselte Lager

Dazu kommt, dass auch Imee Marcos, die Schwester des Präsidenten, die das Lager gewechselt hatte – und nun die Dutertes unterstützt. Laut vorläufigen Ergebnissen schaffte auch sie es in den Senat. Und so ist es unwahrscheinlich, dass diese Kammer die erforderliche Zwei-Drittel-Mehrheit für ein Amtsenthebungsverfahren gegen Sara Duterte zusammenbringt.

Damit werfen die Präsidentenwahlen 2028 bereits ihre Schatten voraus. Sara Duterte wird sich in Stellung bringen, Marcos einen Nachfolger aus seinem Clan suchen. Und hinter den Kulissen sammeln beide Seiten Ressourcen, loyal gesinnte Gouverneure, Medienkontakte und Gelder. Während die Armut im Land weiter zunimmt. 

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