Staatsskandal um behandeltes Wasser: Regierung soll Nestlé geschützt haben

Massive Vorwürfe gegen den Nestlé-Konzern: Perrier-Mineralwasser soll auf illegale Weise gereinigt worden sein.
Wer in Frankreich in einem Café ein Mineralwasser bestellt, bittet oft um eine bestimmte Marke: „Ein Perrier, bitte.“ Es gilt als hochklassig, als der „Champagner und den Trinkwassern“ – aber möglicherweise zu Unrecht.
Ein Skandal in Frankreich lässt den Hersteller-Konzern Nestlé in ungünstigem Licht erscheinen. Er wirft nicht nur Fragen hinsichtlich der Qualität des Wassers auf, sondern belastet auch frühere Regierungen unter Präsident Emmanuel Macron. Diese sollen Nestlé geschützt, EU-Recht ignoriert und geltende Vorschriften sogar geändert haben.
Bevölkerung getäuscht?
So lautet der Vorwurf eines Berichts eines Untersuchungsausschusses des französischen Senats, der nun veröffentlicht wurde und für große Empörung sorgt. Demnach habe der Staat auf Druck des Schweizer Unternehmens zugelassen, dass die Bevölkerung getäuscht und einem Gesundheitsrisiko ausgesetzt wurde. Bereits 2024 kam der Vorwurf, die Filiale Nestlé Waters habe Mineralwasser auf illegale Weise gereinigt und als natürliches Mineralwasser verkauft, durch eine Investigativ-Recherche der Zeitung Le Monde und der Radiostation Radio France auf.
Einer EU-Vorschrift zufolge darf natürliches Mineralwasser grundsätzlich nicht aufbereitet werden. Nestlé Waters hat den Rückgriff auf verbotene Filtersysteme inzwischen zugegeben und eine Strafe in Höhe von zwei Millionen Euro gezahlt, um einen Prozess zu vermeiden. Die Untersuchungskommission schätzt den Betrag des Betrugs allein seit 2020 auf 500 Millionen Euro.
"Staatsaffäre"
Im Senatsbericht ist die Rede von einer „Staatsaffäre“: Die Regierung habe von der unzulässigen Behandlung von verunreinigtem Wasser gewusst, ohne dagegen vorzugehen – im Gegenteil, sie habe sich sogar an der Vertuschung beteiligt: Ein Bericht der regionalen Gesundheitsagentur ARS wurde demnach auf Bitten des Konzerns hin deutlich abgeschwächt, eine Liste der Pestizide und Bakterien, mit denen das Wasser der Perrier-Quellen zwischen 2020 und 2023 belastet war, wurde gestrichen.
Die Zeitung Le Monde hat Auszüge aus eMails und ministeriellen Dokumenten veröffentlicht, die dies belegen. Warnungen von skeptischen Beteiligten wurden übergangen. Le Monde zufolge drohte Nestlé Waters mit einem Sozialplan und Entlassungen in den Fabriken in Frankreich, sollte es die Behandlung von Mineralwasser einstellen müssen.
Die verschiedenen, damals zuständigen Minister geben an, keine Erinnerung an diese Vorgänge zu haben, nicht an den Entscheidungen beteiligt gewesen zu sein oder sie leugnen den Vorwurf, dem Lobbying von Nestlé nachgegeben zu haben. Die Verbraucherschutz-Organisation Foodwatch wirft der französischen Regierung vor, die „massive Betrügerei“ des Konzerns gedeckt zu haben. Sie reichte 2024 Klage gegen Nestlé Waters mit den Parken Perrier und Vittel sowie gegen Sources Alma, den französischen Marktführer mit Marken wie Cristaline und St-Yorre, ein. Inzwischen hat die französische Justiz Vorermittlungen aufgenommen.
"Zweites Gehirn" Macrons
Besonders brisant sind die Enthüllungen durch die Beteiligung des Mannes, der seit dem politischen Aufstieg von Präsident Macron als dessen „zweites Gehirn“ galt, als sein wichtigster Vertrauter und Berater: Alexis Kohler, langjähriger Generalsekretär des Élyséepalastes, der vor wenigen Wochen seinen machtvollen Posten aufgegeben hat und im Juni in die Bank Société Générale wechselt. Er soll 2023 aller Warnungen zum Trotz grünes Licht für Nestlé Waters gegeben haben, weiterhin das nicht erlaubte Filtersystem zu verwenden. Kohler verweigerte die Vorladung vor der parlamentarischen Untersuchungskommission. Diese schloss, dass die Staatsspitze zumindest seit 2022 in vollem Bewusstsein darüber war, „dass Nestlé seit Jahren betrog, Verzerrung der Konkurrenz mit anderen Wasserherstellern schuf und bakteriologische und teils virologische Verunreinigungen bestanden“.
Kommentare