Perlen des Luxus: Wie ein Wiener Ritt- zum französischen Champagnermeister wurde
Vom Wiener Ritt- zum französischen Champagnermeister: Anlässlich des 330. Jubiläum von Champagner hat der KURIER Taittinger besucht; ein Unternehmen mit österreichischen Wurzeln. Die Serie „Emily in Paris“ brachte es wieder ins Gespräch.
Vitalie eilt durch den Torbogen des 44 Boulevard Lundy in der französischen Stadt Reims, hinein in den eleganten Dining Room, dessen hohes Fenster den Blick in den getrimmten Hintergarten erlaubt. „Pardon“, ruft die 43-Jährige, ihre Wangen leicht gerötet. „Das Gespräch mit dem Architekten hat etwas länger gedauert.“ Unauffällig tritt Mitarbeiter Ludo an sie heran. In seiner Hand: eine Flasche Champagner; auf dessen Etikett: ihr Nachname.
Vitalie Taittinger, Präsidentin des gleichnamigen Champagner-Hauses, weiß derzeit kaum, welcher Aufgabe sie sich zuerst annehmen soll: Das Besucherzentrum wird erneuert, der Kreidekeller renoviert, ein neues Restaurant entsteht.
„Wir wollen die Art und Weise ändern, wie wir die Leute willkommen heißen. Sie sollen in den Geist des Hauses eintreten.“ Vitalie nimmt einen Schluck vom „Comtes de Champagne Blanc des Blancs Brut“, nickt.
Es ist der Prestige-Cuvée, ein Tribut an den einstigen Sitz des Champagner-Grafen Thibaut IV, in dessen antiken Räumlichkeiten Besucher eine Verkostung samt Zeitreise erleben können. An einer weißen Tafel, abgeschirmt durch einen goldenen Vorhang, taucht man akustisch in Feste früherer Jahrhunderte ein. Die Plätze sind an diesem Tag alle gefüllt; interessiert nicken die Gäste, nippen am Champagnerglas. Manche werden sich eine Flasche mitnehmen. Prickeln ist angesagt.
Schaumwein im Trend
36 Millionen Flaschen Sekt werden in Österreich jährlich geköpft. Trotz Lebenskostenkrise konnte der Schaumwein seinen Marktanteil 2022 um drei Prozent steigern. Damit ist Österreich nicht alleine. Erstmals wurden vergangenes Jahr 326 Millionen Flaschen Schaumwein aus der Champagne verschickt; erstmals in der 330-jährigen Geschichte des Schaumweins ging mehr als die Hälfte ins Ausland. Und das ist eine Zielgruppe, die stärker angesprochen werden soll.
Am 4. August 1693, dieses Jahr vor exakt 330 Jahren, soll der französische Mönche Dom Pérignon das erste Mal Champagner kreiert haben.
Mit 288 Hektar verfügt Taittinger über eines der größten Champagnerweinbaugebiete in der Champagne
„Bei der Planung habe ich mir noch gedacht: Ach, machen wir das alles gleichzeitig“, sagt Vitalie. „Aber jetzt weiß ich nicht mehr, ob das so schlau war.“ Sie lacht. Denn es gibt einen Zeitdruck: Kommenden Sommer finden die Olympischen Spiele in Paris statt. 6,8 Millionen Tickets wurden verkauft. Reims, 40 Minuten im TGV von Paris entfernt, ist ideales Tagesausflugsziel für internationale Gäste. Mit 184.000 Einwohnern ist es zwar nur eine Kleinstadt; doch historisch gewichtig. Im Jahr 496 (vielleicht auch 498 oder 507) ließ sich Chlodwig, König der Franken, hier taufen und war damit erster katholischer Herrscher. In der Folge wurden 33 französischen Könige in der Notre-Dame de Reims gekrönt.
Inoffiziell ist die Stadt – eingebettet in 34.400 Hektar Weinreben und untertunnelt von 250 Kilometern an Kreidekeller – Welthauptstadt des Champagners. Wenn man nur den Kopf aus der 44 Boulevard Lundy steckt, sieht man gleich drei weitere Unternehmen: Roederer, Jacquart und Montaudon; ums Eck befindet sich Krug.
Drehbuch
Unauffällig hat Ludo Vitalies Glas aufgefüllt und stellt die Flasche auf die Kredenz. Das Etikett könnte Netflix-Abonnenten bekannt vorkommen. Seit der ersten Staffel hat „Emily in Paris“ Taittinger fest im Griff. Buchstäblich. Etwa, wenn die namensgebende Protagonistin eingehängt bei Freundin Mindy mit Taittinger-Flasche in der Hand am Eiffelturm vorbeispaziert.
Wie die Kooperation zustande kam? „Sie haben uns angefragt“, sagt Kommunikationsmanagerin Claire Sarazin. „Wir hatten zuerst Bedenken, ob sie den Champagner rumsprühen würden; es ist ja eine amerikanische Produktion.“ Mit dem Rechtsteam wurde das Skript studiert – und für gut befunden. „Nur haben sie sich beim Dreh überhaupt nicht an das Skript gehalten!“ Claire war ein wenig geschockt. „Aber“, hakt Vitalie ein, „alle haben darüber gesprochen. Wir sind damit herausgestochen.“ Es sei wichtig, in Serien vertreten zu sein. „Wer die Serie in 20 Jahren schaut, weiß, dass es uns da schon gab.“ Und: „Es gibt nichts Schöneres, als Teil der Menschen zu sein. Niemand kann das besser zeigen als Künstler.“
Eigentlich wollte Vitalie selbst Künstlerin werden, wie ihr Vater. Doch genauso wie Pierre-Emmanuel stellte sie sich in den Dienst der Familie. Als er 2006 das Unternehmen zurückkaufte (mehrere Zweige der Familie hatten 2005 für einen Verkauf der Taittinger-Gruppe an die US-Firma Starwood gestimmt; ihr Vater war darüber unglücklich und schaffte es, die notwendigen 780 Millionen Euro für den Rückkauf des Champagner-Teils aufzubringen, Anm.), war es ihr wichtig, nach ihm weiterzumachen. „Ich habe ein bisschen darauf bestanden“, gesteht sie.
Sie ist die erste Frau an der Spitze des Familienunternehmens. Obwohl es in der Vergangenheit einige Witwen wie Louise Pommery oder Lily Bollinger gab, die das Champagnergut nach dem Tod ihrer Männer weiter und zu Erfolg führten, waren Frauen an der Spitze lange Zeit die Ausnahme.
Wiener Ursprung
So leicht kommt die französische Aussprache ihres Nachnamens (gesprochen „Tettäschee“) über die Lippen, dass man kaum vermuten würde, dass Vitalie deutschsprachige Vorfahren hatte. Doch Oberst Taittinger war Rittmeister in der Spanischen Hofreitschule. Später zog die Familie nach Lothringen; ihr Urgroßvater war während des Kriegs in Reims stationiert, verliebte sich in die Landschaft, kehrte nach dem Einsatz zurück und übernahm das alte Champagnerhaus Fourneaux-Forest. Und so steht nun Taittinger auf dem Kreidestein in der hügeligen Landschaft, in der Weinstöcke in peniblen Reihen wie auf einer Perlenkette bis in den Horizont laufen.
Im Stadtpalais schenkt Ludo nach. Diesmal einen Rosé. Hat Vitalie Taittinger einen Lieblingschampagner? Sie lacht, leicht. „Es kommt auf die Stimmung an. Obwohl dieser hier“, sie deutet auf den Rosé, „der passt bei jeder Gemütslage“ .
Und obwohl sie mit Projekten eingedeckt ist, tüftelt die vierfache Mutter beim Lunch weiter. Das kleine Dorf außerhalb von Reims, in dem sie mit ihrer Familie wohnt, habe kein Lokal. Es bräuchte eine Bar, wechselnde Köchinnen. Vielleicht könnte sie etwas realisieren…
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