Patt nach Wahl droht: Spanien vor echter Richtungsentscheidung

Spanish flags are are seen next to a TV screen showing Spanish Prime Minister and Socialist Worker's Party candidate Pedro Sanchez during a live televised debate ahead of general elections in Madrid
Katalonien-Konflikt dominiert die Kampagnen, ultra-rechte im Aufwind.

Spanien droht bei der vom Katalonien-Konflikt geprägten Parlamentswahl am Sonntag ein politisches Patt. Der seit Juni 2018 amtierende sozialistische Ministerpräsident Pedro Sanchez hatte Neuwahlen ausgerufen, nachdem seine Minderheitsregierung keinen Haushalt durchbringen konnte. Nun könnte sich die politische Blockade fortsetzen. Weder dem rechten noch dem linken Lager winkt eine eigene Mehrheit.

Zumindest kann der vom Amtsbonus profitierende Regierungschef laut Umfragen damit rechnen, dass die Sozialisten mit gut 30 Prozent der Stimmen stärkste Kraft werden - gefolgt von der konservativen Volkspartei mit rund 20 Prozent.

Traurige Normalität

Seit Jahren ist der vom Rezessions- zum Wachstumsland aufgestiegene Staat im Südwesten Europas politisch instabil. Spanien hangelte sich mit Minderheitskabinetten und geschäftsführenden Regierungen weiter, wobei Strukturreformen und Haushaltssanierung liegenblieben. Den Staat drücken bereits Schulden von fast 100 Prozent der Wirtschaftsleistung. Die durch den Streit um die Unabhängigkeitsbestrebungen Kataloniens aufgeheizte Stimmung und das zersplitterte Parteienspektrum verhinderten die Bildung von Koalitionen. Ins Parlament drängt nun mit Vox überdies eine Partei vom rechten politischen Rand, der seit fast vier Jahrzehnten dort keine Rolle mehr spielte.

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V.l.n.r.: Pablo Casado, Pablo Iglesias, Pedro Sanchez und Albert Rivera.

Debatte ohne Vox-Vertreter

Viele Spanier sind Umfragen zufolge noch unentschlossen, wo sie ihr Kreuz setzen sollen. Am Montag hatten sie mit einer ersten Fernsehdebatte Gelegenheit, sich ein Bild von den Spitzenkandidaten zu machen. Sanchez, dessen konservativer Gegenspieler Pablo Casado sowie Pablo Iglesias von der linkspopulistischen Podemos und Albert Rivera von den liberalen Ciudadanos kreuzten die Klinge. In der von gegenseitigen Vorwürfen geprägten Debatte gab es keinen klaren Sieger. Ein Vox-Vertreter war nicht eingeladen worden, zumal die Partei bisher im nationalen Parlament nicht vertreten ist.

Dies dürfte sich ab Sonntag aber ändern, da ihr ein zweistelliges Ergebnis vorhergesagt wird. Die teils fremdenfeindlich wirkende und für einen stärkeren Zentralstaat kämpfende Partei wurde Ende 2013 gegründet und wird von dem 43-jährigen Basken Santiago Abascal geführt. Umfragen zufolge dürften Volkspartei, Ciudadanos und Vox mit zusammen 45 Prozent eine Mehrheit verfehlen: Sie kämen damit nur auf maximal 162 Mandate in dem 350 Sitze umfassenden Parlament.

Spanien vor Richtungsentscheidung

Ökonom Ralph Solveen von der Commerzbank sieht Spanien "angesichts der zuletzt noch einmal verschärften Polarisierung der Politik vor einer echten Richtungsentscheidung". Bei einem Sieg des linken Lagers laufe es auf mehr Sozialausgaben, höhere Steuern und ein Zurückdrehen der Reformen hinaus. Diese hätten insbesondere zu einem flexibleren Jobmarkt in dem Land beigetragen, das noch immer eine hohe Arbeitslosigkeit prägt. "Eine vom rechten Lager gestellte Regierung dürfte einen wirtschaftsfreundlicheren Kurs verfolgen. Allerdings könnte sich dann der Katalonien-Konflikt wieder verschärfen", warnt Solveen.

Unter dem konservativen spanischen Ministerpräsidenten Mariano Rajoy /Vokspartei/PP) war die Region im Nordosten Spaniens unter Zwangsverwaltung gestellt worden, da Separatisten im Oktober 2017 ein als verfassungswidrig eingestuftes Referendum abgehalten hatten. Die Volkspartei von Casado wirbt ebenso wie Vox und Ciudadanos mit einer kompromisslosen Haltung gegenüber den Separatisten um Wählerstimmen.

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Vox-Kandidat Santiago Abascal bei einer der frenetischen Wahlkampfveranstaltungen seiner Partei in Sevilla.V.l.n.r.: Pablo Casado, Pablo Iglesias, Pedro Sanchez und Albert Rivera.

Katalonien als Zünglein an der Waage?

Aus dem rechten Lager heraus wurde Sanchez als "Verräter" geschmäht, da er sich auf einen Dialog mit den Verfechtern der Unabhängigkeit eingelassen habe. In der teils hitzig geführten TV-Debatte postierte der Liberale Rivera demonstrativ ein Bild von Sanchez und dem katalanischen Regionalpräsidenten Quim Torra auf seinem Stehpult und fragte: "Wollen wir die Zukunft Spaniens weiter in die Hände jener legen, die Spanien liquidieren wollen?"

Bei einem Patt nach den Wahlen könnten ausgerechnet Nationalisten aus Katalonien zum Zünglein an der Waage werden. Die politische Blockade könnte allerdings auch Sanchez lösen, falls er sich auf ein Bündnis mit Ciudadanos einlässt, denen knapp 14 Prozent der Stimmen vorhergesagt werden. In einer zweiten TV-Debatte am Dienstag erteilte er einer solchen Allianz jedoch eine Absage, da die Liberalen einen "Sperrgürtel" um die Sozialisten gezogen hätten. Den Politologen Pablo Simon von der Universität Carlos III in Madrid erinnerte die zweite Fernsehrunde an einen Stierkampf: Sanchez habe sich weiter in den Ring vorgewagt, ohne dass die Rivalen einen entscheidenden Treffer landen konnten.

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