Parlamentswahl in Pakistan: Die Qual der Scheinwahl

Parlamentswahl in Pakistan: Die Qual der Scheinwahl
Der Armee wurden weitreichende Rechte bei der Abhaltung der Wahlen eingeräumt - das schürt Befürchtungen.

In der jungen Geschichte Pakistans sind demokratische Machtübergaben eine Rarität. Erst zum zweiten Mal seit 1947 scheint eine solche am Mittwoch möglich – wenn 106 Millionen Menschen in dem 200-Millionen-Land dazu aufgerufen sind, ein neues Parlament und neue Regionalräte zu wählen. So rund aber scheinen die Dinge nicht zu laufen. Der Urnengang steht unter dem Stern böser Vorahnungen. Viel mehr ist von einem schleichenden Putsch die Rede, der sich anbahne, als von einer sich abzeichnenden geordneten Übergabe.

Denn die wahre Macht in der Nuklearmacht, der Sicherheitsapparat, machte in den vergangenen Wochen in vielerlei Hinsicht auf sich aufmerksam. Und der Arm dieses Apparats ist lange, reicht in Justiz, Politik, militante Parallelstrukturen, die Medien sowie die Legislative. Da wurde zum Teil auch physischer Druck auf Abgeordnete ausgeübt, sich von der noch regierenden PML-N des inhaftierten Ex-Premiers Nawaz Sharif loszusagen; da berichteten Richter von massivem Druck auf die Justiz, wenn es um als selektiv beschriebene Verfahren gegen PML-N-Vertreter ging; da wurden säkulare oder linke Kandidaten durch umfassende Restriktionen belegt, während ausgewiesene Extremisten frei Wahlkampf betreiben durften - solche, die bis vor Kurzem noch als militante Dschihadisten galten, denen aber enge Allianzen mit den Sicherheitsdiensten des Landes nachgesagt werden.

Pakistans politische Landschaft gleicht einem Dauer-Ausnahmezustand. Das ist nicht neu. Noch nie hat ein Premierminister eine volle Amtszeit gedient. Die Summe der derzeitigen Vorfälle aber ergibt ein düsteres Bild.

Ousted Pakistani Prime Minister Nawaz Sharif gestures as he boards a Lahore-bound flight due for departure, at Abu Dhabi International Airport

Der abgesetzte Ex-Premier Nawaz Sharif auf dem Weg aus dem Exil nach Pakistan - nach der Ankunft wurde er verhaftet

Nawaz Sharif und die regierende Muslimliga PML-N haben es sich offenkundig mit dem Militär verscherzt. Vor einem Jahr war Sharif wegen Korruptionsvorwürfen des Amtes enthoben worden. Anfang Juli 2018 wurde er in Abwesenheit zu einer langjährigen Haftstrafe verurteilt. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig. Am 13. Juli war er bei der Einreise nach Pakistan aber verhaftet worden. Und er sitzt nach wie vor. Eine Freilassung scheiterte – an Interventionen aus dem Militär, wie ein Richter sagte.

Parlamentswahl in Pakistan: Die Qual der Scheinwahl

Bilawal Bhutto Zardari - seine Mitte-Links-Partei PPP beklagte zahlreiche Behinderungen im Wahlkampf

Die traditionell zweite große Volkspartei im Land, die säkulare Mitte-Links-Partei PPP von Bilawal Bhutto Zardari – Sohn der 2007 ermordeten Ex-Premierministerin Benazir Bhutto – wiederum beklagte massive Interventionen und Behinderungen durch nicht näher genannte Behörden im Wahlkampf.

Parlamentswahl in Pakistan: Die Qual der Scheinwahl

Imran Khan - politisch schwer einzuschätzender Populist

Bei all dem zeichnet sich ein Favorit von Armee und Sicherheitsdiensten ab: Der ehemalige Cricket-Star Imran Khan und dessen Partei PTI. Khan ist ein Populist ohne klar ersichtliche politische Linie, der aber intensiv auch mit Extremisten wie den afghanischen Taliban sympathisiert und sich klar gegen die Aktivitäten der NATO sowie der USA in der Region ausgesprochen hat.

Hinzu kommen eine Reihe Kleinparteien, die sich um die 272 Parlamentssitze bewerben – 60 Sitze sind für Frauen reserviert, 10 für Minderheiten. Aber auch bei den Kleinparteien ergibt sich das Bild, dass Extremisten (darunter ein von der UNO als Terrorist gelisteter Kandidat, sowie ein von den USA mit Kopfgeld belegter Milizführer) frei agieren konnten, während liberale, säkulare oder linke Kandidaten durch Gerichtsurteile oder dergleichen behindert wurden. Beobachter merken zudem mit Besorgnis an, dass der Armee bei der Abhaltung der Wahl breite Befugnisse eingeräumt wurden.

Das Dritte Geschlecht vs. Extremisten

Und noch eine wenn auch nicht politische, so doch soziale Gruppe mischt diesmal mit. Im Rennen um einen der 272 Parlamentssitze stehen 13 Transsexuelle. Pakistan hat eine der liberalsten Gesetzgebungen weltweit, was die Rechte von transsexuellen Menschen angeht – während Homosexualität verboten ist. Und diese Gesetzgebung war kein legislativer Unfall. Seit 2009 wird das dritte Geschlecht anerkannt – rechtlich ausschlaggebend ist lediglich die eigene Identifikation. Die Gesetzte zur Anerkennung des Dritten Geschlechts wurden erst vergangenen März noch weiter liberalisiert. Zugleich sind sexuelle wie auch religiöse oder ethnische Minderheiten in Pakistan massiver Gewalt von Extremisten ausgesetzt. Extremisten eben, die vom Sicherheitsapparat zum Teil gezielt gefördert und in vielerlei Hinsicht gesteuert und benutzt werden.

Dabei quälen die Bevölkerung alltägliche Probleme wie Wasserknappheit, Energieausfälle sowie anhaltende Terroranschläge diverser Gruppen. Der Staat hat derweil vor allem mit einem Problem zu kämpfen: Der eigenen Finanzierung. Lediglich ein Prozent der Pakistanis zahlen Steuer, die Bevölkerung wächst zudem rapide, was das ohnehin kaum existierende staatliche Schulsystem, die Infrastruktur aber auch schlicht die grundlegende Versorgung mit Jobs und Nahrung an den Rand des Kollaps bringt. Diese Schwäche des Staates nutzen wiederum Extremisten, die Bildung und eine elementare Grundversorgung versprechen.

Das Land steht vor dem Bankrott und wird voraussichtlich demnächst wieder den Internationalen Währungsfonds um Geld bitten müssen. Zuletzt war das erst vor zwei Jahren der Fall. All das während das Land sowohl mit Indien als auch Afghanistan in Konflikt steht - was zu einer Art nationalem Leitmotiv geworden ist -, sich eine gigantische Armee leistet und Extremistengruppen in beiden Nachbarländern unterstützt, die zunehmend auch zu einem internen Problem werden.

Außenpolitisch zeichnet sich zudem eine Wende ab, zuletzt flirtete Islamabad sehr zum Missfallen der USA intensiv mit China. Von Peking erhofft man sich in Islamabad Investitionen in Wirtschaft und Infrastruktur.

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