Orbán will bei Trump eine Ausnahme von den Öl-Sanktionen erreichen
Hört man den amerikanischen Konservativen zu, könnte man meinen, Ungarn sei das gelobte Land. Ein Hort traditioneller Werte, anti-woke und gleichsam ein „christlich-konservatives Disneyland“, schwärmten republikanische Thinktanks sogar. Auch Donald Trump wiederholte das wie ein Mantra: „Viktor Orbán hat sein Land im Griff. Er ist kontroversiell, ein bisschen so wie ich. Das ist fantastisch.“
Dass diese Männerfreundschaft nicht unerschütterlich ist, musste Ungarns Premier in den letzten Wochen lernen. Sein Land hatte sich seit dem Krieg in der Ukraine stets eine gewisse Nähe zu Moskau bewahrt, doch mit Trumps Kehrtwende Putin gegenüber geriet Ungarn zwischen die Fronten. Weil der US-Präsident nun Moskaus Ölfirmen sanktioniert, um Putin an den Verhandlungstisch zu zwingen, drohen auch Ungarn ab 21. November massive Strafzahlungen. 92 Prozent des ungarischen Öls stammt nämlich aus Russland – das ist sogar um ein Drittel mehr als vor dem Krieg.
180-Personen-Delegation
Die Sanktionskeule trifft den ungarischen Premier zum denkbar ungünstigsten Zeitpunkt. Im Frühling stehen in Ungarn Wahlen an, und laut Umfragen liegt seine Fidesz mit sieben Prozentpunkten deutlich hinter der Opposition. Erstmals seit 2010 droht ihm damit die Abwahl.
In Budapest beeilte man sich darum, so schnell wie möglich einen Termin im Weißen Haus zu bekommen. 180 Personen hatte Orbán mit im Flieger, als er am Freitag in Washington landete. Jedoch hatte Trump schon zuvor öffentlich gemacht, dass Ungarns Premier ihn um eine Ausnahme bei den Ölsanktionen gebeten habe, nur habe er sie ihm „nicht gewährt.“ Am Freitag zeigte Trump sich dann zwar vage dafür offen, wollte aber noch nichts Konkretes zusagen.
Aus Ungarn war zuvor bereits eine Vorleistung bekannt geworden. Kurz vor dem Treffen hatte der ungarische Erdölkonzern MOL seine Position in der Erdölbeschaffung geändert: Demnach könnte Ungarn weniger Erdöl aus Russland beziehen. Sollte das über die Druschba-Pipeline transportierte Rohölvolumen deutlich zurückgehen, könnte MOL die Auslastung der Adria-Pipeline erhöhen. Damit könnten immer noch rund 80 Prozent des Bedarfs der MOL-Raffinerien abgedeckt werden.
Treffen in Budapest
Orbán war aber noch mit einem anderen Wunsch im Gepäck nach Washington gereist. Erst vor Kurzem hatte Trump die ungarische Hauptstadt ja als Austragungsort eines Ukraine-Gipfels auserkoren, nur um die Ankündigung dann wieder zurückzuziehen; Moskau hatte ihm einen Strich durch die Rechnung gemacht. Ein Treffen Trumps mit Putin auf ungarischem Boden wäre jedoch ein Wahlkampfboost, der Orbán gelegen käme – ebenso wie ein Besuch des Präsidenten ohne Ukraine-Agenda: „Das ist die Priorität bei dem Besuch“, sagte eine Regierungsquelle dem Guardian.
Am Freitag hielt Trump zwar an Budapest als Austragsorts eines möglichen Gesprächs mit Putin fest. Ob es dazu kommt, ist aber völlig unklar. Er war als Präsident noch nie in Ungarn, fehlte auch bei den hochkarätig besetzten Konservativen-Konferenzen CPAC, die seit 2022 auch in Ungarn stattfinden. Beobachter vermuten, dass Trump für so einen Gefallen von seinem Polit-Freund besonderes Entgegenkommen verlangen wird: Ungarn könnte etwa seine Blockadehaltung in puncto EU-Beitritt der Ukraine aufgeben, vermutet James Batchik vom Atlantic Council. Der Vorteil für die USA: Waffenkäufe für Kiew könnten so viel leichter von den Europäern finanziert werden – und Trump könnte sich komplett raushalten.
Ob Orbán das innenpolitisch zu verkaufen mag, ist aber fraglich. Er hat einst demonstrativ den Raum verlassen, als es um den Beginn der Beitrittsverhandlungen ging, und seine Anti-Ukraine-Haltung ist auch im Wahlkampf eine Waffe. Möglich ist darum, dass er Trump einen anderen Deal anbietet: Mehr US-Flüssiggas zu beziehen, wäre laut Beobachtern eine Möglichkeit – oder der Kauf von kleinen Kernreaktoren. Über die verhandeln Ungarn und die USA seit Langem.
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