Orbán profitiert von der Flüchtlingsdebatte

Paul Lendvai: Nur die Botschaft der Regierung
Paul Lendvai: "Gefahr durch Migranten" lenkt von Skandalen und Lage in Ungarn ab.

"Es ist nur die Frage, ob es ein Sieg nach Punkten oder ein K.-o.-Sieg wird" – der Ungarn-stämmige Journalist und Autor Paul Lendvai geht beim Referendum am Sonntag von einem klaren Votum gegen die EU-Flüchtlingsaufteilung aus, zu dem Ministerpräsident Viktor Orbán aufgerufen hat. Nur die Wahlbeteiligung sei offen: Weniger als 50 Prozent und damit nicht gültig sei ein Punktesieg, mehr als 50 ein K.o. Die Beteiligung sei schwierig vorherzusehen. "70 bis 80 Prozent der Ungarn sind dagegen, dass Ungarn wie von der EU vorgesehen Flüchtlinge nach Quote aufnimmt, aber etwas anderes ist es, zur Abstimmung auch hinzugehen."

Millionen-Kampagne

Lendvai sagt, dass die Regierung Orbán nach glaubwürdigen Schätzungen 25 bis 30 Millionen Euro in die Kampagne für das Referendum gesteckt habe, die Opposition in der Frage gespalten sei. Nur die Demokratische Koalition, eine sozialdemokratische Absplitterung, sei dagegen bzw. habe eine Nichtteilnahme empfohlen habe.

Und warum überhaupt ein Referendum, wo Ungarn ohnehin schon beim EuGH gegen die Flüchtlingsaufteilung geklagt habe? "Weil das Thema sein größtes Atout ist", sagt Lendvai. Orbán sei der einzige europäische Premier, der von Anfang an von der Flüchtlingskrise profitiert habe. "In der wirtschaftlich schwierigen Lage mit der Abwanderung von einer halben Million junger Ungarn und Korruptionsskandalen ist es wunderbar, wenn man nur über die Gefahr durch Migranten sprechen kann, obwohl es nur um 1600 oder etwas mehr geht", sagt Lendvai. Orbán habe sich zum Gegenspieler Merkels hochgespielt und sei mittlerweile Sprecher eines ganzen Blocks.

Und warum sind die Ungarn mehrheitlich für die Parolen empfänglich? "Die Opposition ist zu schwach, sie hat nicht einmal genug Leute für die Kontrollen in den Abstimmungslokalen", sagt Lendvai und führt drei weitere Gründe an: In Ungarn und der Slowakei habe es nie Einwanderung gegeben wie in Österreich und Deutschland, weil die Länder unter kommunistischer Herrschaft waren; die vergangenen zehn Jahre habe es auch keine Aufarbeitung der Vergangenheit gegeben, der Nationalismus werde allenthalben gefeiert; und die von der Regierung kontrollierten Medien verbreiteten eben nur die Botschaft der Regierung, auch und vor allem in Sachen Flüchtlinge.

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