Orban-Kritikerin: „Die Meinungsfreiheit wird zerstört“

Feindbild Soros: Ein Wahlkampfplakat in Ungarn
Soros-Stiftung verlässt Ungarn. Die Menschenrechtsaktivistin Marta Padavi über diese und andere Folgen von Orbans Politik
Orban-Kritikerin: „Die Meinungsfreiheit wird zerstört“

Widerstand zwecklos. Nach monatelangem Propaganda-Dauerfeuer durch die ungarische Regierung und den von ihren Vertrauensleuten kontrollierten Medien weicht die Open Society Foundation der politischen Gewalt.

Der seit langem angedachte Abzug der von George Soros ins Leben gerufenen Stiftung wird jetzt endgültig vollzogen. Die Büros in Budapest schließen. Die Unterstützung von ungarischen Menschenrechts- und Hilfsorganisationen, von Kulturschaffenden und unabhängigen Medien will man vom neuen Standort Berlin fortsetzen.

Zum Feindbild gemacht

Für Marta Padavi die nächste bittere Konsequenz der zunehmend autoritären Politik von Premier Viktor Orban: „Die Meinungsfreiheit wird zerstört – und mehr als das: Die Idee, dass NGOs und die Zivilgesellschaft eine Grundlage der Demokratie sind, wird untergraben.“

Als örtliche Chefin des Helsinki-Komitees, einer der führenden internationalen Menschenrechtsorganisationen, steht Padavi seit Monaten unter wachsendem Druck der ungarischen Regierung. Als Partnerin der Soros-Stiftung hat sie erlebt, wie ihre Mitarbeiter im ungarischen Wahlkampf zu Feindbildern stilisiert wurden. Abenteuerliche Geschichten wie jene, dass das Helsinki-Komitee Wohnungen in Budapest konfiszieren würde, um diese an Flüchtlinge zu verschenken, wurden in regierungstreuen Medien verbreitet. Dazu wurde die Arbeit der NGOs mit allen Mitteln boykottiert. Sogar internationale Förderungen, etwa von der EU, werden ihnen vorenthalten.

„Bis zur roten Linie“

Die Hoffnung, dass der Druck nach dem Wahlsieg Orbans nachlassen würde, hat Padavi aufgegeben: „Das ist ein naiver Glaube, an dem viele in der europäischen Volkspartei EVP festhalten, weil Orban ja ihr politischer Partner ist.“ Aber der Premier sei ein „skrupelloser Politiker, der taktische Manöver perfekt beherrscht. Er geht immer bis zur roten Linie. Wenn dann der internationale Protest laut wird, macht er einen Schritt zurück.“

Auch Orbans politisches Ziel sei klar: „Es geht in Richtung eines autoritären Staates.“ Er wisse genau, was dafür notwendig sei. Zu allererst die Kontrolle über die Medien: „Orban weiß, dass in dem von ihm geplanten illiberalen Staat die Medien eine Schlüsselrolle spielen.“

Die wirkliche Arbeit ihrer und anderer Menschenrechtsorganisationen würde so in der Öffentlichkeit überhaupt nicht mehr wahrgenommen. Gerade erst hat das Helsinki-Komitee vor dem ungarischen Höchstgericht sensationell einen Prozess gegen die Regierung gewonnen. Diese musste sich für ihre Verleumdungen der Organisation im Wahlkampf öffentlich entschuldigen und außerdem eine Strafe bezahlen: „In ungarischen Medien findet man darüber kein Wort.“

Die Bürger, so Padavis Analyse, will Orban von der Politik möglichst fernhalten: „Seine Propaganda stellt Politik als schmutziges Geschäft dar, dass ohnehin von den Parteien erledigt wird. Er selbst ist der einzige, der alles im Griff hat.“

Und diese Propaganda wirke:„Die meisten Ungarn überlegen, es sich lieber zweimal, bevor sie sich politisch engagieren, oder auch nur äußern. Vielleicht schadet es ja der Karriere, oder kann einen sogar den Job kosten.“

Gerade junge Ungarn, oder auch Menschen, die eigentlich starke politische Überzeugungen hätten, „wollen sich nicht mehr hier für etwas einsetzen.“ Die einzige Initiative, die sie ergreifen würden, sei jene „Ungarn den Rücken zu kehren. Jeder, der geht, bringt Orban seinem Ziel ein Stück näher.“

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