Orbán: "Fidesz war einen Zentimeter vor dem Austritt aus der EVP"
Die rechtskonservative ungarische Regierungspartei Fidesz war nach den Worten ihres Vorsitzenden Viktor Orban am Donnerstag „einen Zentimeter“ davon entfernt, aus der Europäischen Volkspartei (EVP) auszutreten. „Wenn uns unsere Verbündeten verraten, so wie uns die Mehrheit der EVP(-Abgeordneten) gestern verraten hat, dann haben wir in ihren Reihen nichts mehr zu suchen“, sagte Orbán, der zugleich auch Ungarns Ministerpräsident ist, am Freitag im staatlichen ungarischen Radio.
Mit dem Vorwurf des „Verrats“ bezog sich Orbán auf das Abstimmungsverhalten der EVP-Fraktion am Vortag im Straßburger Europaparlament. Diese hatte mehrheitlich und zusammen mit den Sozialdemokraten, Liberalen, Linken und Grünen für eine ungarnkritische Entschließung gestimmt. Das mit großer Mehrheit angenommene Dokument hält fest, dass sich der Zustand der Demokratie in Ungarn seit Einleitung eines Grundwerteverfahrens nach Artikel 7 der EU-Verträge sogar verschlechtert habe.
Derartige Verfahren in der EU laufen derzeit gegen Ungarn und Polen. Sie sind die Reaktion auf die Aushöhlung von Demokratie und Rechtsstaatlichkeit durch die rechts-nationalen Regierungen in den beiden mittel-osteuropäischen Ländern. Theoretisch kann das Verfahren mit dem Entzug der Stimmrechte des betreffenden Landes in der EU enden.
Aus ähnlichen Gründen hatte die EVP, der auch die ÖVP angehört (die geschlossen für das Vorgehen gegen Ungarn gestimmt hat), im März des Vorjahres die Mitgliedschaft der Fidesz-Partei ausgesetzt. In den kommenden Wochen will das bürgerliche Parteienbündnis über den Verbleib von Fidesz in seinen Reihen entscheiden. Eine Art "Weisenrat", dem auch der frühere österreichische Bundeskanzler Wolfgang Schüssel angehört, wird in den kommenden Wochen über Ausschluss oder Nicht-Ausschluss der Fidesz entscheiden.
Keine einfache Entscheidung
Leicht ist das für die europäische Volkspartei nicht. Die Fidesz und ihr lautstarker Parteichef ist eine wichtige Kraft in der Fraktion. Es wird damit gerechnet, dass Orbán von sich aus den Austritt vollzieht, sobald sich ein Ausschluss abzeichnet. Der Ungar pflegt ausgezeichnete Beziehungen zu europäischen Rechtskonservativen und Rechtspopulisten, unter ihnen Polens starker Mann Jaroslaw Kaczinsky mit seiner PiS (Recht und Gerechtigkeit) und der italienische Ex-Innenminister Matteo Salvini mit der Lega. „Die europäische Parteienlandschaft steht am Beginn eines tiefgreifenden Umbaus“, sagte Orbán vergangene Woche. Auf Spekulationen, dass er mit der von Kaczinsky geführten PiS oder Salvinis Lega ein neues Bündnis schmieden wolle, ging er aber nicht ein. Das wird aber in konservativen Kreisen vermutet - beziehungsweise befürchtet.
Mehrmals hatte sich Orbán in den vergangenen Wochen zu einem möglichen Ausschluss geäußert. Zuletzt hatte er bei einer internationalen Pressekonferenz vor einer Woche angekündigt, den Verbleib in der Parteienfamilie an Bedingungen zu knüpfen. An der Volkspartei in ihrer gegenwärtigen Form hätten er und seine Partei kein Interesse. „Die EVP schrumpft und verliert an Einfluss, weil sie in die falsche Richtung geht - in eine linke, liberale, dem Zentrum zugewandte Richtung“, sagte er.
„Die EVP muss sich auf ihre christdemokratische Orientierung besinnen", sagte er vor den Journalisten Anfang Jänner.
Zum Fast-Austritt am Donnerstag fügte Orbán jetzt hinzu: „Wir sahen nur deshalb davon ab, weil die sich Franzosen, Spanier und Italiener eindeutig auf unsere Seite stellten.“ Die EVP-Abgeordneten der genannten Länder stimmten gegen die Entschließung, blieben aber damit in ihrer Fraktion in der Minderheit.
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