Die Generation Z protestiert mit der Piratenflagge

Die „One-Piece-Flagge“ bei Protesten in Indonesien – mittlerweile wird die Flagge in vielen anderen Ländern benutzt.
Von Indonesien bis Peru: Korruption, Ungleichheit und Social-Media-Skandale lassen Jugendliche zur Piratenflagge aus einem bekannten Manga greifen. Seine verleiht ihnen einen ideologischen Überbau.

„Ich will in einer Welt leben, in der alle meine Freunde genug zu essen haben“, ruft Monkey D. Luffy, als er den Piratenkaiser Kaido besiegt. Kaido, der zuvor ein ganzes Land hungern ließ und die Bevölkerung massiv unterdrückte.

Es ist eine der vielen ikonischen Szenen der Manga-Serie „One Piece“, die der japanische Mangaka, sprich Manga-Zeichner Eiichirō Oda seit 1997 zeichnet und schreibt. 1161 Kapitel umfasst die Piratensaga mittlerweile, in der der naive, aber gutherzige Monkey D. Luffy sich anschickt, zum „König der Piraten“ zu werden. In einer Welt voll von bösartigen Freibeutern, Kopfgeldjägern, einer korrupten Weltregierung und grassierender Ungerechtigkeit verlässt sich Luffy auf seine Freunde, seine Crew. Auf die Frage, warum er König der Piraten werden will, antwortet er: „Weil ich dann die größtmögliche Freiheit habe.“

Gemeinsame Werte

Es ist kein Zufall, dass Luffys Piratenflagge – ein Totenkopf mit Strohhut – derzeit bei vielen Protesten in Asien, Afrika und Südamerika auftaucht. „Wir sehen die Flagge als Symbol der Befreiung von Unterdrückung – und dass wir immer für die Zukunft kämpfen sollten, die wir verdienen“, sagt ein 23-jähriger Demonstrant auf den Philippinen
Seit Anfang September finden dort massive Proteste mit mehr als 100.000 Demonstranten statt. Auslöser war ein Skandal rund um Hochwasserschutzprojekte, für die zwischen 2023 und 2025 Steuergelder in einer Höhe bis zu 1,77 Milliarden Euro verloren gingen.

Wie kommt es aber, dass ein Manga zum Symbol für Protest wird? One Piece wird 2026 der meistverkaufte Comic aller Zeiten sein – mehr als 523 Millionen Bände gingen bisher weltweit über die Theke, bald wird das Franchise Harry Potter überholt haben. Superman – seit 1938 produziert – liegt bei etwa 600 Millionen verkauften Exemplaren. Viele Jugendliche sind damit aufgewachsen, teils schon ihre Eltern. 

Die Auslöser

Seinen Anfang als Zeichen des Protests nahm die One-Piece-Flagge bei den Protesten in Indonesien, wo seit Februar gegen die Regierung demonstriert wird. Etwa gegen eine Wohnungszulage für Parlamentsabgeordnete, die die Mindestsicherung übersteigt. Wenig später stürmten Demonstranten das nepalesische Parlament, auch dort unter der „Strohhut-Flagge“. Einer der Auslöser für diese – mitunter brutalen – Proteste waren opulente Instagram-Auftritte von Kindern von Politikern.

Ein Motiv, das auch in One Piece immer wieder gezeigt wird: Die Adeligen in der Saga, auch „Himmelsdrachen“ genannt, scheren sich nicht um die Bürger, sehen sie als Ungeziefer und frönen dem Luxusleben. Als die nepalesische Regierung nach den ersten Protesten die Sozialen Medien sperrte, eskalierten die Demonstrationen nur noch mehr. Die Protestler setzten Wohnsitze und Büros von Ministern in Brand. 

Die Polizei setzte erst Wasserwerfer, dann scharfe Munition ein: 72 Menschen starben. Der nepalesische Ministerpräsident erklärte seinen Rücktritt, im März sollen Neuwahlen stattfinden. 

Korruption

Weitere Beweggründe für die Proteste, die mittlerweile auch in Osttimor, Madagaskar und Peru stattfinden, sind die sinkenden Möglichkeiten für die junge Generation, die täglich auf Sozialen Medien sieht, wie luxuriös andere Altersgenossen leben. Vor allem in Nepal, wo die Jugendarbeitslosigkeit über 20 Prozent liegt, gießen solche Selbstdarstellungen Öl ins Feuer der Unzufriedenheit. In Peru wiederum ist die Jugend seit Jahren unzufrieden  über Korruptionsskandale sowie über die Absetzung des Präsidenten Pedro Castillo im Jahr 2022. Immer wieder flammten Proteste auf.

Dieses Mal ist der Auslöser eine geplante Pensionsreform, die Personen ab 18 Jahren dazu verpflichten soll, in das private Pensionssystem einzuzahlen. Die junge Generation wittert darin eine massive Benachteiligung: „Ich fühle mich von dieser Regierung und diesem Kongress, der allen politischen Parteien dient, die eine im Staat verwurzelte Mafia sind, völlig getäuscht“, sagte eine der jungen Demonstrantinnen.

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Ein anderer Demonstrant fasst zusammen, warum sich One Piece aus seiner Sicht dazu eignet, nicht nur ein Symbol, sondern ein Unterbau für die länderübergreifenden Proteste ist: „Luffy fährt von Insel zu Insel, befreit die Menschen dort von korrupten Tyrannen. Das spiegelt wieder, was hier in der echten Welt passiert.“ 

Viele Motive

Staatliche Korruption spielt bei One Piece in einigen Abenteuern der Strohhutpiraten-Bande eine große Rolle: Etwa, wenn ein abtrünniger Spross der Himmelsdrachen sich ein ganzes Land Untertan macht und Staat, Gerichtsbarkeit wie Medien massiv manipuliert und zu seinem Vorteil ausbeutet.

Die Wut der Demonstranten entlädt sich mitunter in brutaler Gewalt und Zerstörung – Hunderte  wurden festgenommen. Und auch hier bietet One Piece einen für die Protestler einen möglichen Grund für weitere Proteste gegen die Justiz: Die Gerichtsbarkeit der Weltregierung wird durch einen dreiköpfigen Richter verkörpert. Während der rechte Kopf stets die härteste Strafe und der linke Kopf die Freilassung fordert, steht der mittlere Kopf seiner eigenen Aussage zufolge für den Mittelweg – verhängt aber meist die Todesstrafe.  
 

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