Massenproteste erschüttern Indonesien: Wut über Politiker-Privilegien eskaliert

Affan Kurniawan gehörte nicht zu den Demonstranten. Als am vergangenen Donnerstag in Jakarta Tausende Menschen friedlich auf die Straße gingen, um gegen Luxuszulagen für Politiker zu protestieren, bahnte sich der 21-Jährige gerade auf seinem Motorroller einen Weg durch die Massen, um Essen auszuliefern. Dann wurde er vor dem Parlamentsgebäude der indonesischen Hauptstadt von einem gepanzerten Polizeifahrzeug überfahren und getötet. Seitdem erlebt der weltgrößte Inselstaat die heftigsten Massenproteste seit Jahren.
Gewaltsame Ausschreitungen
In weiten Teilen des Landes gingen über mehrere Tage hinweg Zehntausende Menschen auf die Straßen. Es kam zu gewaltsamen Ausschreitungen: Demonstranten zündeten Regierungsgebäude an und plünderten die Privathäuser von Politikern, darunter am Sonntag das Haus von Finanzministerin Sri Mulyani Indrawati. Die Polizei griff gewaltsam durch: setzte Tränengas und Wasserwerfer ein, nahm Hunderte Menschen fest. Das Militär wurde am Wochenende eingesetzt, um den Präsidentenpalast zu schützen.
Mindestens sieben Menschen sollen bislang ums Leben gekommen sein, drei davon bei einem Brandanschlag auf das Rathaus der Stadt Makassar. Zudem wurde ein Mann zu Tode geprügelt, den Protestierende für einen Geheimdienstoffizier gehalten hatten. In der Stadt Yogyakarta starb ein weiterer Mensch bei Protesten, die Umstände waren zunächst unklar.
In Denpasar, der Hauptstadt der bei Touristen beliebten Ferieninsel Bali, kam es vor dem regionalen Polizeipräsidium und dem lokalen Parlament zu Zusammenstößen. Demonstranten warfen Steine und beschädigten Einrichtungen. Die Polizei setzte Tränengas ein und nahm Dutzende Menschen fest. Viele der Beteiligten sollen nach Angaben der Behörden von außerhalb Balis angereist sein.

Sicherheitsvorkehrungen verschärft
Die Sicherheitsvorkehrungen wurden nach den gewaltsamen Ausschreitungen am Wochenende vielerorts verschärft. Wie ein Journalist der Nachrichtenagentur AFP sah, hielten sich in Jakarta am Montag hunderte Soldaten am Nationaldenkmal bereit, weitere Militärs bezogen Stellung vor dem Präsidentenpalast. Die Polizei errichtete in der ganzen Hauptstadt Kontrollpunkte. Außerdem patrouillierten Beamte und Armeeangehörige durch die Stadt, um die Bürger zu schützen und ihnen ein Gefühl der Sicherheit zu vermitteln, wie ein Polizeisprecher dem Sender Kompas TV sagte.
Auf Bali mobilisierten die Behörden zudem traditionelle Dorfwächter, die sogenannten "Pecalang", um die für die Insel überlebenswichtige Tourismusbranche vor weiteren Störungen zu schützen. Die Pecalang sind unbewaffnet und tief in der Kultur Balis verwurzelt.
Mindestens eine Protestgruppe, die Allianz der indonesischen Frauen, teilte am späten Sonntagabend mit, dass sie ihren geplanten Protest wegen der verstärkten Sicherheitsvorkehrungen absage. Schulen und Universitäten in Jakarta hielten den Unterricht bis mindestens Dienstag online ab.
Unter den Blicken Dutzender Soldaten versammelten sich dennoch mindestens 500 Demonstranten am Nachmittag vor dem Parlament in Jakarta. Tausende weitere Protestteilnehmer kamen in Palembang auf der Insel Sumatra zusammen, weitere Hunderte versammelten sich separat in Banjarmasin auf der Insel Borneo, in Yogyakarta auf der Hauptinsel Java und in Makassar auf der Insel Sulawesi, wie AFP-Journalisten im ganzen Land berichteten.
Präsident lenkt ein
Ursprünglich richtete sich die Wut der Menschen gegen eine zusätzliche monatliche Wohnungszulage von 50 Millionen Indonesischen Rupien (etwa 2.600 Euro) für die 580 Abgeordneten des Parlaments. Die Summe übersteigt den Monatslohn vieler Menschen um rund das Zehnfache. Zusätzlich wurde der Ärger durch Videos von Politikern angeheizt, die in sozialen Medien ihren luxuriösen Lebensstil zur Schau stellten.
Streichung von Abgeordnetenvergünstigungen?
Am Sonntag hatte Präsident Prabowo Subianto, der seine schwerste politische Krise seit Amtsantritt im Oktober 2024 durchlebt, angekündigt, "mehrere Maßnahmen" rückgängig zu machen, also bestimmte Abgeordnetenvergünstigungen zu streichen. Seine Reise zur Militärparade in Peking am Mittwoch hatte der ehemalige Armeegeneral abgesagt. Gleichzeitig hatte er die gewalttätigen Ausschreitungen scharf verurteilt und Militär und Polizei angewiesen, härter dagegen vorzugehen.
Ob mit dem Einlenken Subiantos tatsächlich Ruhe einkehren wird in dem 280-Millionen-Einwohner-Land, ist jedoch unklar. Seit Monaten brodelt es in Indonesien. Die Menschen leiden unter steigenden Lebenshaltungskosten, Steuermaßnahmen und Massenentlassungen.
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