Demonstrationswelle in Nepal: Bereits 20 Tote, Rücktritte in Regierung

Von Franziska Trautmann
Zehntausende Menschen stehen inmitten brennender Autos auf den Straßen der nepalesischen Hauptstadt Kathmandu. Die brutalen Proteste gegen Korruption der Regierung gehen in die zweite Runde. Auslöser dafür war ein Sperre mehrerer Social-Media-Plattformen. Aufgrund der angespannten Lage sind bereits Nepals Premierminister Khadga Prasad Sharma Oli und der Innenminister Ramesh Lekhak sowie zwei weitere Regierungsmitglieder zurückgetreten. Mittlerweile kamen mehr als 20 Menschen ums Leben, hunderte wurden zum Teil schwer verletzt. Die Polizei setzt weiterhin Wasserwerfer und Tränengas, am Montag sogar scharfe Munition.
Proteste in Nepal: „Regierung soll zurücktreten“
Die Sperre von insgesamt 26 Social-Media-Plattformen wurde zwar aufgehoben, aber dafür eine Ausgangssperre und ein Protestverbot verhängt. Davon aufgehalten fühlt sich aber niemand – zehntausende Menschen ziehen heute erneut auf die Straßen Nepals. Sie protestieren gegen die autoritäre Haltung der Regierung und kritisieren die immer größer werdenden wirtschaftlichen Probleme des Landes und das Wegschauen der Politiker. Denn in den Wochen vor dem Verbot war in den sozialen Medien eine „Nepo Kid“-Kampagne angelaufen, die den verschwenderischen Lebensstil von Politikerkindern und Korruptionsvorwürfe in den Mittelpunkt stellte.
Satish Mandal, ein 26-jähriger Demonstrant, sagte gegenüber BBC News: „Nepal wird Tag für Tag korrumpiert. In jedem Bereich, besonders im Gesundheits- und Bildungswesen, nimmt die Korruption zu. Studenten werden von der Polizei getötet. Wir möchten die Regierung Nepals auffordern, zurückzutreten.“

Zehntausende protestieren auf den Straßen der nepalesischen Hauptstadt Kathmandu.
Vor allem junge Menschen erheben ihre Stimmen und rufen Slogans wie „gegen die Grausamkeiten der Polizei“ und „jeder leidet wegen des Premierministers“. Demonstranten verwüsteten Wohnhäuser mehrerer hochrangiger Politiker und griffen Hauptquartiere politischer Parteien an. Die Proteste werden auf beiden Seiten immer gewalttätiger.
Mittlerweile trat Premier Oli als Antwort auf die anhaltenden Demonstrationen zurück. Er erklärte, er habe dies getan, um den Weg für eine verfassungsgemäße Lösung der Krise zu ebnen.
„Unsere Zukunft steht nicht zum Verkauf“
Was am Montag als „Gen-Z-Protest“ gegen das Social-Media Verbot gesehen wurde, entpuppte sich schnell als eine Demonstrationswelle tiefgreifenderer Natur. Mit Plakaten wie „Nein zur Korruption“ oder „Unsere Zukunft steht nicht zum Verkauf“ protestierten vor allem Schüler und Studenten – sie forderten einen politischen Neuanfang. Die gestrige Demonstration nahm einen besonders blutigen Ausgang. Am Montag starben 19 Menschen und hunderte, teils schwer verletzt, mussten ins Krankenhaus gebracht werden.
Das Vorgehen der Polizei wird zunehmend kritisiert. Anfangs wurden Wasserwerfer und Tränengas eingesetzt, dann plötzlich scharfe Munition. Demonstranten versuchten, das Parlament zu stürmen – daraufhin eröffneten Polizisten das Feuer.

Die Menschen gehen weiter auf die Straße, trotz Verbots.
Am Montag äußerte sich das UN-Menschenrechtsbüro zum brutalen Vorgehen der Polizei und zeigte sich schockiert. Es sagte, es habe „mehrere zutiefst besorgniserregende Anschuldigungen über unnötige Gewaltanwendung durch Sicherheitskräfte" während der Proteste erhalten. Auch Amnesty International schrieb in einer Erklärung: „Die Anwendung tödlicher Gewalt gegen Demonstranten, die keine unmittelbare Gefahr für Leib und Leben darstellten, ist eine schwere Verletzung des Völkerrechts.“
Versuch der Zensur
Startschuss für die Demonstrationswelle gab eine Sperre mehrerer Social-Media Plattformen, darunter WhatsApp, Instagram und Facebook. Im August hat der Oberster Gerichtshof beschlossen, soziale Medien unter staatliche Aufsicht zu stellen, um die Verbreitung von Online-Betrug und Fake News einzudämmen. Kritiker werteten das als Versuch, Zensur auszuweiten und kritische Stimmen gegen die Regierung mundtot zu machen. Letzte Woche Donnerstag trat das Verbot in Kraft.
Sabana Budathoki sagte der BBC News, das Verbot der sozialen Medien sei „nur der Grund“ für die Versammlung gewesen. „Ich glaube, es geht nicht um das Verbot der sozialen Medien, sondern um die Korruption.“ Ein anderer Demonstrant sagte, das Verbot solle ihre Stimmen „zum Schweigen bringen“, weshalb sie gekommen seien, um ihre Stimme dagegen zu erheben, was sie auch weiterhin tun werden, bis sich etwas ändert.
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