Informationskrieg: Ist die ukrainische Gegenoffensive Realität?

Fotos von zerstörten russischen Gefechtsfahrzeugen machten in pro-ukrainischen Kanälen die Runde, die Gegenseite konterte mit Videos, auf denen die Artilleriebombardements auf ukrainische Panzer zu sehen waren. Seit das ukrainische Militärkommando Süd am Montag eine Gegenoffensive auf die russisch besetzte Stadt Cherson im Süden der Ukraine verkündet hatte, ist die Situation am Boden unklar.
Beide Seiten sprechen von ukrainischen Truppenbewegungen und schweren Gefechten sowie massiven Bombardements auf Cherson und die von den Ukrainern gehaltene Stadt Mykolajiw. Was genau seither auf den 50 Kilometern (Luftlinie) Steppe zwischen den beiden Städten geschehen ist, ist derzeit nicht überprüfbar. Während der Kreml davon spricht, ukrainische Vorstöße abgewehrt und teilweise vernichtet zu haben, meinte die Sprecherin des ukrainischen Militärkommandos Süd, es sei noch zu früh, von möglichen zurückeroberten Orten zu reden. „Es finden gerade Kämpfe statt, und diese erfordern eine Informationsruhe.“

Man habe allerdings „Offensiven in unterschiedliche Richtungen“ gestartet. Eine solche „Richtung“ sind definitiv die Artillerieschläge, die zugenommen haben: Sowohl Cherson als auch die Stadt Nowa Kachowka, die an einem wichtigen Dnepr-Übergang liegt, wurden von ukrainischer Artillerie bereits seit einigen Tagen intensiver bombardiert.
Feuerkraft erhöht
Am Dienstag erhöhten die ukrainischen Streitkräfte ihre Intensität noch einmal. US-Offizielle sprechen hierbei von „Shaping“ – also dem Schaffen von Voraussetzungen für eine Offensive, indem man feindliche Munitionslager, Übergänge, Stellungen beschießt.
Davon war allerdings bereits vor Monaten die Rede. Mit einer Bodenoffensive gehen die ukrainischen Truppen ein hohes Risiko ein – liegen doch mindestens 20 Kilometer flaches Gebiet zwischen der Front und Cherson. Ein breites Vorrücken mit Bodentruppen wäre wohl ein zu leichtes Ziel für die russische Artillerie, die dort täglich feuert und dabei von Drohnenaufklärung unterstützt wird.
Auch die gezielten Schläge der eigenen Artillerie haben daran in den vergangenen Wochen nichts signifikant geändert, und seit Ende Juni sind mindestens 3.000 russische Soldaten in den Raum Cherson verlegt worden.
Gleichzeitig wäre eine erfolgreiche Offensive knapp vor Herbstbeginn wichtig für die ukrainische Kriegsführung: Würde es den Soldaten gelingen, die russischen Truppen über den Fluss Dnepr zu werfen, hätte man vor dem Winter eine natürliche Barriere geschaffen und könnte einen möglichen russischen Angriff auf die Hafenstadt Odessa im kommenden Frühjahr extrem schwierig machen. Sollte dieses Ziel scheitern, dürften die ukrainischen Streitkräfte alles daran setzen, zumindest Cherson zu belagern.
Indes sieht die deutsche Verteidigungsministerin Christine Lambrecht kaum noch Möglichkeiten, Waffen aus Bundeswehrbeständen für den Abwehrkampf gegen Russland in die Ukraine zu schicken. „Ich muss zugeben, als Verteidigungsministerin (...), da kommen wir an die Grenzen dessen, was wir aus der Bundeswehr abgeben können“, sagte sie.
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