Offener Konflikt: Italiens Regierung droht zu stürzen

Aus den verbündeten Koalitionspartnern Lega und Fünf Sterne wurden erbitterte Konkurrenten.

Aus den verbündeten Koalitionspartnern Lega und Fünf Sterne wurden erbitterte Konkurrenten. An politische Turbulenzen ist man in Italien gewöhnt. Die scheinbare Harmonie innerhalb der ungleichen Regierungskoalition aus der populistischen Fünf-Sterne-Bewegung und der ultra-rechten Lega schien vielen schon verdächtig lange zu halten. Gelegentliches Gezänk gehörte zum Alltag. Seit einigen Wochen allerdings fliegen die Fetzen derart heftig, dass Medien bereits eine Regierungskrise heraufbeschwören. Selbst von einem Sturz der Regierung nach den EU- Wahlen (26. Mai) ist bereits die Rede.

"Stopft Euch den Mund!"

Aus den Verbündeten in Rom wurden Konkurrenten in Europa: Die rechte Lega und die Fünf-Sterne-Bewegung beteiligen sich an verschiedenen Fronten am EU-Wahlkampf. Salvini hat eine Allianz der Europäischen Völker und Nationen in Mailand ausgerufen, der auch die FPÖ, die deutsche AfD und Marine Le Pens Rassemblement National (RN) in Frankreich angehören. Wenige Wochen vor der Wahl stehen sich daher Italiens Regierungsparteien feindlich gegenüber. „Conte (Ministerpräsident, Anm.) genießt nicht mehr mein Vertrauen“, aber auch „Stopft euch den Mund zu“, lässt Lega-Anführer Matteo Salvini als „letzte Warnung“ in Richtung des Fünf-Sterne-Chefs Luigi Di Maio ausrichten.

Offener Konflikt: Italiens Regierung droht zu stürzen

Zankapfel der Regierung:  Armando Siri, Staatssekretär und Salvini-Vertrauter

Hintergrund für den Eklat sind Rücktrittsforderungen an Salvinis engen Vertrauten, Armando Siri. Salvini hätte den Transport-Staatssekretär am liebsten zum Wirtschafts- und Finanzminister ernannt. Die Staatsanwaltschaft ermittelt gegen Siri wegen Verdachts auf Bestechlichkeit. Angeblich soll Siri 30.000 Euro erhalten haben, damit er sich im römischen Parlament für einen Strohmann der Cosa Nostra einsetzt. Der Lega-Politiker bestreitet alle Vorwürfe. Innenminister Salvini hält seinem Wirtschaftsberater die Stange: „Ich bin es nicht gewohnt, Menschen, die an meiner Seite gearbeitet haben, fallen zu lassen.“

Die Fünf-Sterne-Bewegung, die im Wahlkampf Ethik und Transparenz versprochen hat, fordert den sofortigen Rücktritt des Staatssekretärs. Morgen, Mittwoch, soll in der Ministerratssitzung darüber abgestimmt werden.

Personalfrage als Zankapfel

Es ist bezeichnend, dass der Streit ausgerechnet wegen einer Personalfrage eskaliert. Persönliche Verbindungen scheinen auf dem römischen Parkett mehr Gewicht zu haben, als ideologische oder wirtschaftliche Debatten. Die rigorose Lega-Linie gegen Flüchtlinge und Migranten etwa hatten die Fünf Sterne, die zahlreiche Wähler aus dem linken Lager haben, bisher widerstandslos mitgetragen.

Funkstille vor EU-Wahl

Knapp vor der Europawahl sollen, glaubt man Zeitungen, die beiden Parteichefs und Vizepremiers nicht mehr miteinander sprechen. Politologen sehen dahinter auch Wahltaktik, mit der die Parteien versuchen, ihr Profil zu schärfen.

Tabu-Brecher Salvini

Am Wochenende brach Salvini ein weiteres Tabu: Auf dem Mussolini-Balkon in Forlì hielt er als erster Politiker seit 75 Jahren eine Rede. Politische Gegner beschimpfte Salvini als „Zecken“, Sexualstraftäter will er „zwangskastrieren“ lassen. Weiters warnte er vor einem „islamischen Kalifat“ in Brüssel.

Unstimmigkeiten gibt es zudem in ökonomischen Fragen. Salvini will eine Einheitssteuer („Flat Tax“) einführen, um den Mittelstand zu entlasten; Di Maio setzt sich für einen Mindestlohn ein. Salvini poltert gegen das „Bürgergeld“ der Fünf Sterne. Während Di Maio einen shoppingfreien Sonntag durchsetzen will, kämpft die Lega für den Erhalt der liberalisierten Ladenöffnungszeiten.

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