Österreicher sollen Libyen verlassen

In Schutt und Asche: Der Internationale Flughafen Tripolis ist seit zwei Wochen schwer umkämpft. Islamistische Milizen wollen die Macht an sich reißen
Raketen auf den Flughafen Tripolis, riesige Benzinlager in Brand: Der Machtkampf eskaliert.

Die Libyer schockiert drei Jahre nach Ausbruch des Bürgerkriegs nicht mehr viel. Doch die heftigen Kämpfe der vergangenen zwei Wochen in der Hauptstadt Tripolis und im ostlibyschen Bengasi bringen immer mehr Menschen dazu, ihrem Land den Rücken kehren zu wollen. Auch Ausländer sind auf der Flucht: Mehrere Staaten, darunter USA, Großbritannien und Deutschland, haben ihre Bürger aufgerufen, Libyen zu verlassen. Sie haben zudem, wie vor einer Woche schon die UNO, ihre diplomatischen Vertretungen geschlossen.

Am Montag entschied auch Österreich: "Wir fordern alle Staatsangehörigen auf, das Land zu verlassen", sagte Außenamtssprecher Martin Weiss dem KURIER. Das betreffe rund 20 Personen: Doppelstaatsbürger mit familiären Bindungen nach Libyen oder Mitarbeiter österreichischer Firmen. Auch das gesamte Personal der Botschaft werde abgezogen und nach Tunesien verlegt.

Großbrand

Eine Ausreise ist schwierig: Im Zentrum der Kämpfe in Tripolis steht der internationale Flughafen. Er ist zu großen Teilen zerstört, der Flugbetrieb eingestellt. Ein früherer Militärflughafen dient als Ausweichmöglichkeit. Von diesem erreicht man aber – wenn überhaupt – nur Tunis und Kairo. Und nun droht auch noch eine humanitäre Katastrophe.

Am 13. Juli hatten Kämpfer der moderat-islamistischen Misrata-Brigaden den Flughafen attackiert, der seit dem Sturz von Diktator Gaddafi 2011 von der anti-islamistischen Zintan-Miliz kontrolliert wird. Seither toben Kämpfe, die sich auf andere Stadtteile ausweiteten. Bisher starben 100 Menschen.

Am Montag traf eine Rakete der Misrata-Brigaden einen riesigen Treibstofftank an der Straße zum Flughafen. Sechs Millionen Liter Benzin gingen in Flammen auf. Der Feuerwehr gelang es nicht, den Brand einzudämmen – ihr ging das Löschwasser aus. Ein zweiter Tank entzündete sich, weitere Tanks und ein Erdgasspeicher drohten zu folgen. Der staatliche Ölkonzern warnte vor einer möglichen Katastrophe für Mensch und Umwelt und bat um internationale Hilfe; Wohnhäuser im Umkreis von fünf Kilometern wurden evakuiert.

Macht und Geld

In Tripolis sind Treibstoff und manche Lebensmittel bereits rar. Tankwagenfahrer weigern sich, die Benzintanks nahe des Flughafens anzusteuern, Tankstellen machen aus Sicherheitsgründen dicht. "Nur wenige Menschen haben noch Autos, mit denen sie fahren können", so Österreichs Handelsdelegierter Martin Woller. "Frische Lebensmittel sind nur noch bedingt verfügbar."

Viele Libyer bauen auf das neu gewählte Parlament, das Anfang August zum ersten Mal tagen soll. Doch genau dessen Wahl Ende Juni ist für Wolfgang Pusztai der Grund für die Eskalation der Kämpfe. "Das alte Parlament war von Islamisten dominiert. Im neuen Parlament wird das nicht der Fall sein", so der frühere österreichische Militärattache in Libyen und international gefragte Kenner des Landes. Islamistische Gruppen, von der moderaten Muslimbruderschaft bis zur ultra-radikalen Ansar al-Scharia, hätten erkannt, dass sie ihr Ziel eines islamischen Staates nicht legal erreichen könnten. "Sie versuchen sich nun eine bessere Position zu erkämpfen und werden dann den demokratischen Prozess und die Legitimität des Parlaments infragestellen."

Eine reguläre Armee, die die Milizen in die Schranken weisen könnte, gibt es nicht. Die Milizen sind die Armee. Sie wurden nach Gaddafis Sturz angeworben, um für Sicherheit zu sorgen, verfolgen mittlerweile aber nur noch eigene Interessen: Noch mehr Macht und Geld. Wenn es nicht gelinge, das Land zu befrieden – und das sei nur durch eine UN-Mission möglich – droht laut Pusztai ein zäher Bürgerkrieg oder gar ein Zerfall des Landes.

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