Österreicher am Golan: Auch in 90er Jahren heikle Einsätze

Die Patrouillen in der Truppentrennungszone waren für die österreichischen UN-Soldaten eine willkommene Abwechslung zum Alltag.
Jahrzehntelang galten die Österreicher als verlässliche Truppensteller der UNDOF-Mission.

„Sunshine-Mission – Schäfer zählen, Schafe zählen, kein hohes Risiko. So habe ich meinen Einsatz am Golan während meiner Vorbereitung erklärt bekommen“, erinnert sich ein ehemaliger UN-Soldat, der in den frühen 90er-Jahren im Einsatz am Golan war, im KURIER-Gespräch.

39 Jahre lang war das Österreichische Bundesheer ein verlässlicher Truppensteller für den UN-Einsatz am Golan. Die österreichischen Soldaten prägten die Mission von Anfang an – auch in tragischer Hinsicht: Knapp nach Beginn der Mission im Jahr 1974 verunglückten vier Österreicher, nachdem sie auf eine Mine gefahren waren. Es waren die ersten von 20 österreichischen Soldaten, die während der gesamten Mission ums Leben kamen.

Österreicher am Golan: Auch in 90er Jahren heikle Einsätze

Ein Mahnmal in der Zone am Golan erinnert an die 20 im  Einsatz
gefallenen österreichischen Soldaten.

Guter Verdienst

Trotzdem lockte der Golan knapp 29.000 Männer und Frauen, einige für ganze Jahre. Abenteuer, fremde Kulturen und kein schlechter Sold dürften für sie Aussicht genug gewesen sein – ungefähr 3600 Euro aufwärts verdiente ein gewöhnlicher UN-Soldat im letzten Jahr der Mission.

„Ich flog von Wien nach Damaskus, von dort erfolgte der Transport in die Zone. Als ich auf meinem Stützpunkt ankam, war nur der Kommandant in Uniform, alle anderen hatten kurze Hosen an. Es war Dienstschluss, ein paar Unteroffiziere tranken ein Bier. Eines, denn mehr war verboten“, erzählt der Golan-Veteran.

Die Einhaltung des Alkohollimits sei streng kontrolliert worden, vor allem im Dienst wurde kein Pardon gezeigt. „Es gab die heimlichen Trinker, aber auf einem Stützpunkt, auf dem jeder alles über jeden weiß, bleibt das nicht lange verborgen“, sagt der Soldat. Recht bald seien diese Blauhelme entdeckt und repatriiert worden.

Israelische Artillerie

Recht bald wusste er auch, warum er sich in einem Einsatz befand: „Plötzlich begann es am Berg Hermon zu donnern. Ich war mir nicht sicher ob das ein Gewitter oder tatsächlich eine Detonation war, bis ich meinen Kommandanten fragte. ’Das sind die Israelis, die schießen immer wieder mit Artillerie in den Libanon’, hat er gesagt“, berichtet der Ex-Blauhelm. Die israelische Armee hatte damals wie heute ihre Stützpunkte an der Grenze der Truppentrennungszone stationiert, zu dieser Zeit hielt Israel den Südlibanon besetzt und war dort in tägliche Gefechte mit der Hisbollah verwickelt.

„Es gab Tage, Wochen, wo alles ruhig verlief. Wir beobachteten, meldeten, taten unseren Dienst. Doch wir wussten alle: Von einem Moment auf den anderen mussten wir auf 100 sein, immer wieder passierte etwas“, schildert der Soldat (mehr dazu rechts unten).

Passierte nichts, soll sich der Alltag in der Zone recht eintönig gestaltet haben: Rund um die Uhr observierte ein Wachposten die Umgebung, die anderen Soldaten nahmen Verbesserungen am Stützpunkt vor, übten sich im Waffendrill oder gingen auf Patrouille.

Briefe schreiben

Auch sonst war einiges zu tun – die einzelnen Stützpunkte waren auf Versorgung vom Hauptquartier, dem Camp Faouar, angewiesen: Trinkwasser, Lebensmittel, aber vor allem Post waren wichtig für die Soldaten in der Zone. „Zu dieser Zeit gab es kein Internet, also war das Briefeschreiben eine wunderschöne Beschäftigung. Zwei- bis dreimal in der Woche ist Feldpost gekommen. Wer einen Brief bekommen hat, war überglücklich, wer nicht, war zu Tode betrübt. Man hat alle beneidet, die Post bekommen haben.“

Mit der syrischen Bevölkerung herrschte reger Kontakt – damals war der Bürgerkrieg in weiter Ferne, UN-Soldaten kamen mit jedem aus: „Im Souk von Damaskus waren wir Österreicher gerne willkommen, wurden mit ’Servus, wie geht’s’ von den Syrern begrüßt. Man kannte und mochte uns“, erzählt der Soldat.

Wildschweingrill

Auch mit anderen Glaubensgruppen hatten die Österreicher ein gutes Verhältnis: „Die Drusen (eine eigene Religionsgemeinschaft, Anm.) haben uns Wildschweine geschossen, zum Glück hatten wir immer einen Jäger dabei, der das Wild ordnungsgerecht zerlegen konnte. Dann gab es eine große Grillage, zu der wir die Kanadier oder die Polen eingeladen haben, die damals ebenfalls im Einsatz waren“, sagt er.

Das gute Verhältnis zur Bevölkerung führte manchmal zu wundersamen Begebenheiten: „Einmal kam ein Mann mit seiner kranken Frau zu uns ins Camp. Sie hatte einen wilden Ausschlag, unser Arzt hat sie behandelt und nach ungefähr einer Woche war sie wieder gesund. Bald darauf stand ihr Ehemann vor dem Camp und hatte ein Geschenk für uns: einen Affen. Wir mussten das Geschenk annehmen, das schreibt die arabische Höflichkeit einfach vor“, schwärmt der Soldat.

Ein paar fachkundige Soldaten hätten sofort eine große Voliere gebaut. Später wurde „Jane“ dann dem Tiergarten Schönbrunn in Wien übergeben.

Die Mission am Golan war für viele Menschentypen attraktiv – einige sollen jahrelang ununterbrochen dortgewesen sein. Ein paar Soldaten– so munkelt man – haben sich mit dem dort verdienten Geld eine zweite Existenz aufgebaut und sich etwa ein Haus mit Familie auf den Philippinen geleistet.

Der Einsatz der Österreicher im UNDOF-Kontingent wurde bis zum Abzug im Jahr 2013 sowohl von syrischer und israelischer Seite, als auch von der UNO stets in den höchsten Tönen gelobt.

Nach wie vor gelten Österreichische Soldaten – wie etwa im Libanon – als verlässliche Partner.

Gefechte

Das Video vom September 2012 sorgt derzeit für Diskussionen – ein früherer  Blauhelm-Soldat (siehe oben) berichtet von ähnlichen Fällen, die er in den frühen 1990-er Jahren im UN-Einsatz am Golan erlebt hat.

„Ich habe gerade einen Brief geschrieben, als ich einen Knall gehört habe. Erst hoffte ich, es sei ein Feuerwerk, aber es waren tatsächlich Schüsse“, erzählt der Österreicher. „Als ich realisiert habe, dass tatsächlich geschossen wird, habe ich sofort die Splitterschutzweste angezogen und meine Stellung bezogen“, sagt er und erzählt weiter: „Die Wachposten am Turm haben sich geduckt, zuerst wusste man nicht was los war. Erst später haben wir realisiert, dass die Muhabarat (syrischer Militärgeheimdienst) sich ein Gefecht mit den Schmugglern geliefert hat.“

Damals hat also im Gegensatz zum aktuell diskutierten Vorfall die der Militärgeheimdienst den Hinterhalt gelegt. In acht Monaten sei es dreimal zu solchen Zwischenfällen gekommen. Jedes Mal hätten die Österreicher die Leichen bergen und den syrischen Behörden übergeben müssen. „Die Schmuggler lieferten damals ihre Ware in den Raum Jabatta“, sagt der Soldat. Seit dem  Beginn des Syrien-Krieges 2011 sollen die Schmuggler hauptsächlich Rebellen mit Waffen und Gerät aus dem Libanon beliefert haben.

Österreicher am Golan

Der Auftrag der UNO seit 1974 Das UN-Kontingent am Golan (United Nations Disengagement Observer Force, UNDOF) hat ein  Entflechtungsabkommen zwischen Syrien und Israel zu überwachen. Israelische wie syrische Soldaten dürfen die  Truppentrennungszone nicht betreten.    

Syrien-Krieg seit 2011 Durch den Krieg in Syrien hat sich die Lage und auch die Bedrohung der UN-Soldaten dramatisch verschärft – doch das UN-Mandat änderte sich nur marginal.

Österreichs Golan-Einsatz Ab 1974 stellte Österreich UN-Kontingente, 20 Österreicher wurden während der Mission getötet. 2013 wurde der österreichische Golan-Einsatz quasi über Nacht beendet.

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