Obama und Putin: Hoffnung oder Enttäuschung?

Presseschau: Die zwei mächtigsten Staatschefs redeten wieder miteinander.

Ja, es gab ein Gespräch - erstmals wieder offiziell und direkt, erstmals seit 2013. Das Verhältnis zwischen dem Kreml und dem Weißen Haus war seit dem Ukraine-Konflikt und der Annexion der Krim unterkühlt. Bei der UNO-Generalversammlung in New York, als US-Präsident Obama und sein russischer Amtskollege Putin zusammentrafen, um über Syrien zu reden, war die Stimmung leicht verbessert - in die Karten schauen ließ man sich aber nicht.

Knackpunkt war einmal mehr die Rolle für Syriens Machthaber Assad, die die Supermächte ihm zuordnen. Die USA wollen ihn von der Staatsspitze vertreiben - Obama nannte ihn in seiner Rede vor der UNO einen Tyrannen". Putin steht hingegen zu Assad - Russland unterstützt das syrische Regime mit militärischer Ausrüstung im Kampf gegen die Schlächtermiliz Islamischer Staat.

Doch wie lief das Gespräch zwischen den Präsidenten? Inhaltliche Annäherung gab es wenig, dennoch besteht allein durch die Tatsache des Treffens Grund zur Hoffnung. Wie die internationale Presse die Fortschritte einordnet, lesen Sie im Folgenden.

Le Figaro (Paris): "(Syriens Präsident) Bashar al-Assad kann bestimmt als schlimmster Feind seines Volkes betrachtet werden, als Hauptgrund für Mord und Exodus. Doch er ist nicht der Feind der Koalition gegen den 'Islamischen Staat' (IS). Der IS mit seinen grausamen Eroberungen und dem Export des Terrors über die Ozeane ist eine Bedrohung für den gesamten Nahen Osten. Also sollte im Sinn eines wirksamen Kampfes die Logik des russischen Präsidenten anerkannt werden. Barack Obama kann kaum die ausgestreckte Hand zurückweisen, die eine Koalition aller verfügbaren Kräfte gegen ein Kalifat von Fanatikern vorschlägt."

De Standaard (Brüssel): "Die Auffassung, dass Assad über kurz oder lang doch Teil einer Lösung für den Konflikt in Syrien sein muss, scheint allmählich in Europa mehr Unterstützung zu bekommen. Sowohl die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel, als auch der französische Präsident Francois Hollande und der britische Premier David Cameron ließen in den vergangenen Wochen Andeutungen in diesem Sinne verlauten. Auch wenn sie dabei bleiben, dass Assad letztendlich gehen muss. Vielleicht kann Europa so den amerikanischen und den russischen Standpunkt miteinander versöhnen. Dass der unberechenbare russische Präsident Wladimir Putin langfristig bereit sein könnte, Assad doch fallen zu lassen für eine austauschbare, aber für den Westen annehmbarere Figur, kann heute sicher nicht ausgeschlossen werden."

Sydsvenskan (Malmö): "Es gilt, nicht zu vergessen, was die Russen mit ihrer Einsatzbereitschaft für versteckte Absichten verfolgen könnten. Es soll sich um mehr handeln als den Wunsch, die Terror-Bedrohung durch den IS zu verringern und den russischen Einfluss im Mittleren Osten zu stärken. Sicher sieht Russland auch eine Möglichkeit, seine Position auf der internationalen Bühne wiederherzustellen, ohne seine Ukraine-Politik ändern zu müssen. Kann man weiter Sanktionen gegen ein Land begründen, das eine führende Rolle im Einsatz für Frieden in Syrien übernimmt? Die Antwort muss vernünftigerweise Ja lauten."

Neue Zürcher Zeitung: "Ein 'gemeinsames Interesse' existiert nicht, und einzelne Staaten scheinen kaum mehr zu wissen, worin ihre Interessen in dem Konflikt überhaupt bestehen. Beunruhigend ist vor allem die Entwicklung der Atommacht Russland. Der Kremlchef rechtfertigt sein Handeln gerne, indem er auf die NATO-Intervention im Kosovo oder George W. Bushs Irak-Feldzug verweist. "So wie du mir, so ich dir", lautet (Präsident Wladimir) Putins Devise. Während sich die USA selbst Zurückhaltung auferlegen, fehlt es ihren Verbündeten in Europa an Gestaltungswillen. Der syrische Bürgerkrieg und die dadurch ausgelöste Flüchtlingswelle könnten zu weiteren politischen Zerrüttungen führen. Im besten Fall wird eine Lösung des Konflikts in einem unschönen Kompromiss bestehen, der nicht den Interessen der Syrer, sondern dem kleinsten gemeinsamen Nenner der Grossmächte entspricht."

Pravo (Prag): "Es überwiegt die Ansicht, dass es dem Kreml vor allem darum geht, seinen engsten Verbündeten im Nahen Osten an der Macht zu halten. Tatsächlich wird auf den syrischen und irakischen Kampfschauplätzen auch ein Wettkampf ausgetragen um die heutige und zukünftige Stellung des Islam in der russischen, sehr vielfältigen und multikulturellen Gesellschaft. Kaum ein Beobachter im Ausland zieht in Betracht, dass sich in diesem Land mit mehr als 140 Millionen Einwohnern mehr als 20 Millionen Menschen zum Islam bekennen. Falls sich Moskau direkt an blutigen Bodenkämpfen gegen die IS-Terroristen in Syrien beteiligen sollte und es dabei zu hohen Verlusten bei der überwiegend sunnitischen Bevölkerung kommt, dann würde eine rasche Radikalisierung der eigenen muslimischen Gemeinschaften in bisher relativ ruhigen Gebieten Russlands drohen."

Kommersant (Moskau): "Die größte Überraschung in der Rede Barack Obamas war, dass der US-Präsident darin das Thema Russland ohne besondere Hervorhebung erörterte. Er unterstrich sogar, dass Washington keinen neuen Kalten Krieg wolle. Bei der Ansprache Wladimir Putins kam gewohnten Zuhörern des russischen Präsidenten vieles bekannt vor. Er sprach von einer breiten Koalition gegen den 'Islamischen Staat' unter Einschluss des syrischen Präsidenten Bashar al-Assad. Sehr zurückhaltend gab sich Putin beim Thema Ukraine. Hier wollte er sich vor dem Gipfel an diesem Freitag in Paris wohl nicht selbst um Spielraum für Verhandlungen bringen."

Tagesanzeiger (Zürich): "Die einen bombardieren, die anderen wollen im Schatten von Russlands Wladimir Putin und seiner diplomatischen Initiative doch wieder mit Syriens Präsident Assad reden. Die Europäer tun sich wieder einmal schwer, als Akteur mit einer einheitlichen Position ernst genommen zu werden. Dabei hat der Syrien-Konflikt im fünften Jahr das Potenzial, Europa angesichts der Millionen Menschen auf der Flucht auch politisch zu destabilisieren. (...) Anders als in Berlin schliesst man in Paris aber nach wie vor aus, dass Assad und die Gegner des Regimes in Damaskus sich an einen Tisch setzen sollen. (...) Es ist eine mühsame Suche nach dem kleinen gemeinsamen Nenner."

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