Obama und die Europäer: Gruppentherapie in Berlin

Offiziell standen Syrien, der IS und die Ukraine auf der Agenda. Im Hintergrund ging es aber auch um Trump – und um Merkels Rolle in Europa.

Die Unbeschwertheit bei der Begrüßung im Kanzleramt täuscht. Schon allein die Probleme, die die fünf europäischen Regierungschefs bei ihrem Gang zum Abschiedstreffen mit Barack Obama mitschleppen, wiegen schwer: Mariano Rajoys Minderheitsregierung in Spanien steht auf wackeligen Beinen; Frankreichs Präsident Hollande hat Marine Le Pen im Nacken; Italiens Premier Renzi könnte das Reform-Referendum im Dezember seinen Job kosten; und die britische Premierministerin Teresa May hat mit dem Brexit Sorgen, die ohnehin alle beschäftigen – vor allem die Gastgeberin, Angela Merkel.

Trump, der Unkalkulierbare

Diese vergleichsweise kleinen Krisen traten am Freitag aber in den Hintergrund, ebenso wie die große europäische, die des fehlenden Zusammenhalts. Der war nämlich durchaus spürbar – dank Donald Trump, der für alle eine gleichermaßen unkalkulierbare Größe ist und deshalb bei jedem Thema des Treffens eine Rolle spielte. Bei fast allen weltpolitischen Fragen stehen Europa und Obama einander näher, als man es von Trump erwarten kann. Beim Iran, Russland und Syrien ist das besonders offensichtlich: Während Europa Russland wegen der Syrien-Krise scharf kritisiert, steht Trump für einen freundschaftlichen Kurs gegenüber Putin; und in puncto Iran droht Europa mit Trumps Ankündigung, den Atomvertrag aufheben lassen zu wollen, diplomatisches Ungemach.

Keine Angriffe auf Trump und Putin

Auf kalkulierte Reibereien mit Trump und Putin setzten die Europäer deshalb aber nicht – die beruhigende Wirkung Obamas scheint zu wirken. Selbst er, dessen Einfluss ja ohnehin nur gering ist, wählte seine Worte mit Bedacht: Die hämische Aussage, Russland sei nur mehr "Regionalmacht", wiederholte er in Berlin nicht, sondern nannte Russland "auch militärisch eine Supermacht". Merkel tat es ihm gleich und pochte nicht auf die Ausweitung der Russland-Sanktionen wegen Syrien, sondern drängte nur auf die Einhaltung des Minsk-Abkommens – die Fortschritte in der Ukraine seien "unsichtbar".

Für sie war das Treffen übrigens auch eine Herausforderung der anderen Art. Über allem schwebte die auch von Obama leise formulierte Aufforderung an sie, ein Gegengewicht zu Trump zu bilden – das Wörtchen "leader of the free world" war dauerpräsent. Merkel selbst quittierte das wie immer pragmatisch. "Ein Mensch alleine kann niemals alles lösen. Wir sind nur gemeinsam stark", sagte sie mit Blick auf die anderen EU-Staaten. Mariano Rajoy, der da neben ihr stand, stimmte ihr da zu. Dass am Freitag keine Osteuropäer dabei waren, sondern nur der "alte Westen", könnte diesen Wunsch nach Gemeinsamkeit jedoch erschweren.

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