Obama rüstet gegen Paul Ryan

Obama rüstet gegen Paul Ryan
Der Präsident schießt sich auf den neuen Star der Konservativen ein. Ryans radikalliberale Ansichten bieten Angriffsfläche.

Am Samstag verkündete Präsidentschaftsbewerber Mitt Romney, wer im Fall eines republikanischen Wahlsiegs der Vize im Weißen Haus sein soll – der Kongressabgeordnete Paul Ryan. Seit die Katze aus dem Sack ist, rüsten die Demokraten gegen das neue Gesicht an der gegnerischen Spitze auf. Im Streit um die maue US-Wirtschaft erklingen gar klassenkämpferische Töne: Während es aus dem Romney-Lager heißt, die Demokraten wollten in den USA den "Sozialismus nach europäischem Vorbild" installieren, brandmarkt Präsident Barack Obama Ryans Budgetpläne als "Sozialdarwinismus".

Elfmeter

Ryan sei der ideologische Anführer der Republikaner im Kongress, wettert der Präsident, mit ihm würde eine Politik wie unter George Bush fortgeführt, die die Wirtschaft den Bach runterschickte. Die Wahl werde zur Richtungsentscheidung, deren Folgen "Jahrzehnte spürbar" seien. Tatsächlich ist Ryan, der neue Darling der erzkonservativen Tea Party, wie ein aufgelegter Elfmeter für die Demokraten, die Romney gern als gewissenlosen Finanzhai darstellen.

Ryan, Fitness-Junkie und Armbrust-Jäger, der nichts von Abtreibung und Homo-Ehe hält, habe nicht die geringste außenpolitische Erfahrung. Genüsslich wiederholen die Demokraten den Spott des Online-Magazins Politico, Ryan habe außerhalb Washingtons höchstens einmal als Burgerbrater oder Fitnesstrainer gearbeitet. Der 42-Jährige, der in US-Medien wiederholt als "policy wonk" (frei übersetzt: Fachidiot) bezeichnet wird, hat tatsächlich nur ein großes Thema: die Staatsschulden durch Ausgabenkürzungen einzudämmen – wenn es sein muss, auf Kosten der sozial Schwachen.

Ryans Budgetplan, der den demokratischen Senat nicht passieren wird, sieht Einsparungen bei Sozialprogrammen vor. Wohnungszuschüsse wären ebenso betroffen wie Lebensmittelhilfen, die Pensionsversicherung "Social Security" und die Seniorenkrankenversicherung "Medicare", aus der ein Gutscheinsystem werden soll. Vermögende hingegen sollen entlastet und das Militär verschont bleiben. Das Haushaltsbüro des Kongresses schätzt laut Reuters, dass Ryans Vorhaben Pensionisten 6400 Dollar im Jahr extra kosten würden.

„Go Back Team“

Für Obamas Lager ist die weitere Angriffsstrategie nun klar: Das sich als "America’s Comeback Team" vermarktende Duo Ryan und Romney sei nicht anderes als ein rückwärts gewandtes "Go Back Team". Doch Romney ist sich sicher. Vier Monate hatte das Sondierungsverfahren gedauert, ehe er sich auf Paul Ryan festlegte. Eine Handvoll Kandidaten wurde zuvor bis ins Detail durchleuchtet. Sie mussten allerlei Fragen beantworten, um etwaige peinliche Enthüllungen über Steuerflucht oder Seitensprünge im Endspurt des Wahlkampfs zu vermeiden.

Am ersten August wurde laut CNN der Deal zwischen Romney und Ryan fixiert. Danach lieferte sich das republikanische Team ein ausgefuchstes Katz- und Maus-Spiel mit der Presse, um die Wahl Ryans geheimzuhalten. Der Finanzexperte musste mit Baseballkappe und Sonnenbrille inkognito zu Besprechungen reisen und wurde von Privatchauffeuren auf verschwiegenen Waldwegen fernab seines Hauses in Wisconsin abgeholt.

Der Coup gelang: Durch die Bekanntgabe, Paul Ryan werde der "Running Mate", wurden selbst die Republikaner überrascht. Während Romney nun in Ryans Heimatbundesstaat Wisconsin aufholen kann, wird dieser zum Risiko in den umkämpften "Schlachtfeldstaaten" wie Florida, die als Seniorenparadiese gelten.

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