Bye bye in Berlin: Obamas Abschied, Merkels Auftrag

Nach Trumps Wahl wird Obamas Besuch bei Angela Merkel zur Staffelübergabe: Die deutsche Kanzlerin wird zur letzten Bastion der freien Welt hochgeschrieben. Das macht es für niemanden leichter – nicht für sie, nicht für Europa.

Irgendwie ist es ja fast ironisch. Eigentlich könnte Barack Obama seiner Gastgeberin ein Lied davon singen, wie es ist, der angebliche Heilsbringer zu sein – 2008 trat er als Kandidat in Berlin vor 200.000 begeisterten Europäern auf, später gewann er die Herzen seiner Landsleute ebenso wie die Wahl.

Die letzte Hoffnung

Acht Jahre später ist gerade er es, der ihr dieses Etikett anheftet. Angela Merkel, die schon ein paar Jahre Kanzlerin war, als er noch ums Weiße Haus kämpfte, und die es noch immer ist, wenn er die Macht übergibt, gilt plötzlich als das letzte Bollwerk, die große Retterin der alten Weltordnung dies- und jenseits des Atlantiks: Von der New York Times abwärts setzt plötzlich die ganze liberale Welt auf MerkelObamas dreitägiger Besuch bei seiner "engsten Vertrauten" sei eine Staffelübergabe des alten "leaders of the free world" an die neue, heißt es. "Deutschland sei die letzte und beste Hoffnung der Welt", so der renommierte US-Journalist Jeff Jarvis; der Brite Timothy Garton Ash, Historiker ersten Ranges, benennt sie explizit als "Leader of the free world".

Selbst die deutschen Medien stimmen in diesen Chor mit ein. Gestern noch durch die Flüchtlingskrise angeschlagen, vom konservativen Feuilleton schon ins Ausgedinge geschickt, soll die preußisch-vernunftbegabte, gar nicht Obama-ähnliche Merkel den Gegenpart Trumps spielen, die verlässliche Insel zwischen den unkontrollierbaren Machtmenschen in Washington und Moskau. Freilich, dass es so weit kommen konnte, hat Merkel dem großen Polarisierer Trump selbst zu verdanken. Dass er ihre Politik "geisteskrank" nannte, sie zum Feindbild hochstilisiert hat, lässt sie nun deutlich stabiler erscheinen, als sie eigentlich ist.

Mach’s noch mal, Angie

Innenpolitisch ist Merkel nämlich keinesfalls ein derartiger "Stabilitätsanker", wie man ihn gern hätte. Viele in der CDU treibt die Angst um, dass sie als Anker die Partei eher mit in die Tiefe ziehen könnte; der leise Wunsch Obamas, sie solle das tun, was er nicht mehr könne – nämlich zu einer weiteren Wahl antreten –, wird nicht von allen in der Union mitgetragen.

Ob sie überhaupt selbst will, weiß derzeit keiner so recht. Der von ihr einst geschasste Norbert Röttgen, früher mal Hoffnung der Partei, ließ ausgerechnet in CNN verlauten, dass dem so wäre; in der CDU aber hält man sich bedeckt. Ja, man wünsche es sich, sagte ihr Vertrauter, CDU-Generalsekretär Peter Tauber, jetzt in einem Hintergrundgespräch; auch er verwies darauf, dass sie schließlich ein Hort der Stabilität unter den Staatenlenkern der Welt sei. Verständlich, ist sie doch die längstgediente Regierungschefin in Brüssel und mit der Rolle der ungeliebten Retterin vertraut.

Doch genau das ist es auch, was in der CDU viele nervös werden lässt. Schon vor der Flüchtlingskrise hat die ungewollte Hegemonialmacht Deutschland viele Ressentiments in Europa geschürt, Merkel mit ihrer wie ein Schutzschild propagierten Sparpolitik tat dazu ihr Übriges. Ihre Haltung in der Flüchtlingskrise, so human sie auch gewesen sein mag, hat die Spaltungstendenzen und die nationalen Interessen befeuert – und damit auch die Populisten.

Farewell ohne EU-Vertreter

Merkel stehen schwere Zeiten bevor, wenn sie nochmals antritt. Die "Brücken", die Obama bei seiner fulminanten Rede 2008 in Berlin zu bauen versprach, muss sie dann jedenfalls kitten – auch in Europa. Denn dass Obama seinen Abschied in Berlin und nicht in Brüssel nimmt und dass zu seinem "Farewell" am Freitag viele europäische Staatenlenker, aber kein Vertreter der EU geladen ist, sollte zu denken geben. Merkels Rolle als "Leader of the free world", so sie diese auch spielen will, müsste brückenbauend sein und keine Nationalinteressen à la Trump verfolgen. Sonst kann sie sich bald von Obama erzählen lassen, wie es ist, mit enttäuschten Erwartungen zu leben.

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