Nur zehn Prozent der Migranten in Italien von NGOs an Land gebracht
Die finnische Europaministerin Tytti Tuppurainen hat am Mittwoch vor dem Europaparlament in Straßburg das Ausmaß der Seenotrettung im Mittelmeer relativiert. Weniger als zehn Prozent der in Italien ankommenden Migranten würden 2019 von NGOs an Land gebracht, so Tuppurainen. Die meisten würden direkt zum Beispiel auf Lampedusa oder in Sizilien ankommen oder von italienischen Booten gerettet.
Aus Sicht des EU-Ministerrates sei die Situation im Mittelmeer nicht zufriedenstellend, insgesamt habe sie sich jedoch verbessert, so die Europaministerin des aktuellen EU-Ratsvorsitzlandes. Während Daten der Europäischen Grenzschutzagentur Frontex zufolge 2018 schätzungsweise 137.000 irreguläre Migranten auf dieser Route gekommen seien, habe es im laufenden Jahr bisher nur 36.000 Ankünfte gegeben. "Eine deutliche Reduktion um 50 Prozent zeichnet sich 2019 ab", sagte sie. Auch die Zahl der Toten sei 2019 mit 343 gegenüber 2018 um mehr als 50 Prozent zurückgegangen, berichtete Tuppurainen. "Jeder einzelne Tote auf hoher See ist einer zu viel, aber es gibt Fortschritte", fügte sie hinzu.
Der finnische Ratsvorsitz will eine krisenresistente Strategie für den Umgang mit den Geretteten vorschlagen, die aber nicht vorschreibe, wo diese an Land gebracht werden sollen. Bis es eine umfassende Asylrechtsreform gebe, brauche es provisorische Lösungen für das Mittelmeergebiet, so Tuppurainen und zählte weitere Unterstützungsleistungen der Europäischen Union auf, die vor allem an das Bürgerkriegsland Libyen gehen. Diese Maßnahmen sind umstritten, Hilfsorganisationen kritisieren die Zustände in den libyschen Internierungslagern seit Jahren als unmenschlich. Die libysche Küstenwache habe 2018 Informationen des UNO-Flüchtlingshochkommissariats UNHCR zufolge 2018 15.000 Migranten gerettet oder abgefangen, erklärte die Europaministerin. Trotz der sich verschlechternden Sicherheitslage in Libyen seien in diesem Jahr 3.000 Personen gerettet worden.
"Was im Mittelmeergebiet passiert, beunruhigt uns", erklärte der EU-Kommissar für humanitäre Hilfe und Krisenmanagement Christos Stylianides im Namen der Kommission. Seit 2015 seien durch vier EU-Operationen fast 735.000 Menschen gerettet worden, berichtete er. Die Übereinkunft zwischen den EU-Ländern sei jedoch "noch nicht optimal", so Stylianides. Er forderte eine klare Unterscheidung zwischen Menschenschmuggel, um Geld zu verdienen, und Menschenrettung. "Keine Form der Hilfe soll im Rahmen der EU-Gesetzgebung kriminalisiert werden", sagte er, ohne Beispiele zu nennen. Aktuell ist der Fall der deutschen Kapitänin Carola Rackete, die mit dem Schiff "Sea-Watch 3" und 40 Migranten an Bord am 29. Juni unerlaubt in den Hafen von Lampedusa eingefahren ist und festgenommen wurde.
Edtstadler fordert "ehrliche Debatte"
Auf Rackete bezogen sich indirekt und direkt auch die ÖVP-EU-Delegationsleiterin Karoline Edtstadler und FPÖ-EU-Delegationsleiter Harald Vilimsky in ihren Wortmeldungen. Edtstadler forderte eine "ehrliche" Debatte und "nachhaltige" Reform des Asylsystems, sowie die Beseitigung von Fluchtanreizen, zu denen sie "Aktionen", die die mediale Aufmerksamkeit auf sich ziehen und die Hoffnungen steigerten, zählte. Zum Handeln rief auch FPÖ-EU-Delegationsleiter Harald Vilimsky auf, für den seit 2015 weder eine Lösung präsentiert worden sei, noch man sich einem besseren Zustand nähere.
SPÖ-EU-Abgeordnete Bettina Vollath fordert in einer Aussendung ebenfalls eine Reform des Dublin-Systems für Asylsuchende. "Es braucht legale Einreisewege, schnelle und rechtssichere Verfahren und Hilfe vor Ort, um die Fluchtursachen zu bekämpfen", teilte Vollath mit. Die anhaltende Blockade einzelner Mitgliedsstaaten koste Menschenleben, fördere die Ablehnung gegenüber der EU und spiele "Politikern wie Salvini (dem italienischen Innenminister Matteo, Anm.) in die Hände, die mit ihrem Hass das politische Klima in Europa vergiften."
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