NSU-Prozess: Zschäpe fühlt sich nur "moralisch schuldig"

Beate Zschäpe im Münchner Gerichtssaal
Die Hauptangeklagte bricht ihr Schweigen: Beate Zschäpe will von den zehn Morden nichts gewusst haben, entschuldigt sich aber bei den Opfern.

Diesmal hat sie sich nicht weggedreht. Am 249. Prozesstag zeigte Beate Zschäpe ihr Gesicht, den Kameras genauso wie den Angehörigen der Opfer. Sie hat aufgemacht, ihr Schweigen gebrochen, um vor allem eines zu erreichen: sich mit einer Unschuldbeteuerung vor der lebenslangen Haft zu retten.

"Ich habe mich meinem Schicksal ergeben", ist einer der ersten Sätze, die ihr Anwalt verliest. Er steht zentral in dem 53 Seiten langen Manuskript, das die Hauptangeklagte des NSU-Prozesses mit ihrem Verteidiger zuvor aufgesetzt hat. In Ich-Form verneint die Angeklagte darin beinahe alles, was die Anklage ihr zur Last legt. Dass sie, die letzte Überlebende des NSU-Terrortrios, gemeinsam mit Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt, ihren beiden WG-Genossen, Komplizen und Geliebten, zehn Menschen das Leben genommen haben soll. Dass sie zu dritt eine Terrororganisation gebildet haben sollen, die jahrelang rassistische Morde verübte.

Alles falsch, sagt Zschäpe. Sie habe mit den beiden zusammengelebt, aber nicht zusammengearbeitet. Eine Mittäterin sei sie nicht.

"Ich weiß die wahren Motive nicht"

Die Schuld gibt sie den zwei Uwes, einzig und allein. Die beiden hätten, nachdem das polizeibekannte Trio im Jahr 2000 in den Untergrund gegangen war, die erste Tat begangen, ohne ihr etwas zu sagen. Als sie es ihr erzählten, sei sie "regelrecht ausgeflippt. Bis zum heutigen Tag weiß ich die wahren Motive der beiden nicht", verliest ihr Anwalt.

Danach hätten die zwei einfach weitergemacht, stets, ohne Zschäpe etwas zu sagen. Mundlos und Böhnhardt hätten ihr nicht vertraut, lässt die heute 40-Jährige wissen; und damals, mit Anfang 20, habe sie sich nicht getraut, zur Polizei zu gehen. Die beiden hätten ihr mit Selbstmord gedroht und das habe ihr Angst gemacht . "Mir war bewusst, dass ich mit zwei Menschen zusammenlebe, denen ein Menschenleben nichts wert ist." Aber die beiden seien ihre "Familie" gewesen, denn eine echte Familie hatte sie nie . Und ja, da war auch noch die Angst vor einer Haftstrafe.

Das unausweichliche Schicksal, von dem sie immer wieder spricht, führte schlussendlich zu zehn Morden und zwei Bombenattentaten. "Döner-Morde" nannte die Boulevardpresse die Mordserie hämisch, weil die Opfer neben einer Polizistin alles türkisch- und griechischstämmigen Kleinunternehmer waren. Der rechtsextreme Hintergrund der Taten wurde bei den Ermittlungen stets als zweitrangig erachtet, bis zum Auffliegen des Trios im Jahr 2011 tappten die Behörden deshalb im Dunkeln. Teils tun sie das heute noch: Obwohl der Prozess um Zschäpe und sechs U-Ausschüsse ein wenig Licht ins Dunkel brachten,blieben viele Fragen ungeklärt.

Vieles bleibt im Dunkeln

Auch Zschäpes Aussage ändert daran nicht viel. Sie gibt nur zu, was das Gericht schon weiß; Details wie etwa Verbindungen des Trios in die rechtsextreme Szene, die auf bisher unbekannte Helfershelfer hinweisen könnten, nennt sie nicht. Auch Kontakte zum Verfassungsschutz lässt sie vollständig unerwähnt – der Vorwurf der Vertuschung durch die Behörden, eines der dunkelsten Kapitel der Aufarbeitung des NSU-Terrors, steht damit nach wie vor im Raum.

Zschäpe betont lediglich, in nichts involviert gewesen zu sein. "Ich war weder an den Vorbereitungen noch an der Ausführung beteiligt", verliest ihr Anwalt immer wieder. Die Taktik dahinter sei klug, meinen Prozessbeobachter – denn der gesamte NSU-Komplex ist ein Indizienprozess, und die zwei, die sie beschuldigt, kann niemand mehr befragen. Böhnhardt und Mundlos haben sich 2011 das Leben genommen; und auch hier sind die Umstände nach wie vor nicht ganz klar.

Entschuldigung als Strategie

Strategisch wertvoll könnte auch sein, dass sie sich entschuldigt – schließlich gesteht sie so zumindest eine gewisse Schuld ein. "Ich fühle mich moralisch schuldig, dass ich zehn Morde und zwei Bombenanschläge nicht verhindern konnte", lässt sie den Anwalt sagen. Und: "Ich entschuldige mich aufrichtig bei allen Opfern und Angehörigen der Opfer."

Glauben will ihr das im Gerichtssaal dennoch niemand. Manch einer lacht sogar, als die Aussage verlesen wird. Nebenklage-Anwalt Mehmet Daimagüler nennt das Ganze ein "Lügenkonstrukt". Zu den Angehörigen dringt sie damit ohnehin nicht durch. Die Entschuldigung nehme ich nicht an", sagte Gamze Kubaski, die Tochter eines Ermordeten. "Sie ist eine Frechheit."

Kommentare