"Spannungen überwinden"

Kotzias: „Wir müssen darauf achten, dass wir weiter als bis zu unserer Nase sehen und uns mehr Gedanken über die Zukunft Europas machen“
Athen zürnte Wien in Sachen Flüchtlingspolitik; jetzt kommt der Außenminister zu Besuch.

Anfang des Jahres hat sich Griechenland über die österreichische Flüchtlingspolitik empört: Die Einführung einer Obergrenze für Asylwerber führte zur Schließung der "Balkanroute". In Griechenland staute sich der Flüchtlingsstrom. Ende Februar wurde Athen zudem nicht zur Balkan-Flüchtlingskonferenz nach Wien eingeladen. Man rief die Botschafterin Chrissoula Aliferi "für Beratungen" nach Hause. Der griechische Außenminister Nikos Kotzias, der heute Wien besucht, bringt Aliferi wieder nach Österreich zurück.

KURIER: Herr Minister, die Balkanroute ist immer noch zu – was hat sich in den Beziehungen mit Österreich geändert?

Kotzias: Ich glaube, dass sich die Zeiten beruhigt haben und man miteinander wieder vernünftig sprechen kann. Es gibt keine Flüchtlingsströme mehr, der Druck ist weg.

Vor Kurzem hat auch Italiens Premier Matteo Renzi Österreich wegen der Pläne für Kontrollen an der gemeinsamen Grenze kritisiert. Hat er recht?

Ich würde das gar nicht kommentieren wollen. Was ich sagen will, ist: Wir müssen immer darauf achten, dass wir weiter als bis zu unserer Nase sehen und uns mehr Gedanken über die Zukunft Europas machen, dieses Europa, das wir mit großer Mühe aufgebaut haben.

Wie gut funktioniert das Türkei-Abkommen?

Der zweite Teil der Abmachung (die Rücksendung von Flüchtlingen – Anm.) bedarf von griechischer und von türkischer Seite mehr Kapazitäten. Ich hoffe, dass die Türkei bei ihren Verpflichtungen bleibt und der neue Regierungschef in Ankara diese Politik weiterführt.

Wie ist die Lage der Flüchtlinge – es sind immer noch 53.000 Menschen in Griechenland?

Wir erweitern unsere Kapazitäten gerade. Es müssen auch endlich einige NGOs verstehen, dass die Flüchtlinge in sichere Unterkünfte kommen sollen. Man sollte diesen Menschen keine falschen Hoffnungen machen, indem man ihnen rät, aus Idomeni nicht wegzugehen, weil die Grenze irgendwie wieder aufgemacht wird.

Wie steht es um die Umsiedlung von Flüchtlingen in andere EU-Länder? Es sollten ja 160.000 aus Griechenland und Italien wegkommen.

Eine Reihe von Abmachungen funktioniert gar nicht, zum Beispiel das Umsiedlungsprogramm. Oder es funktioniert nur sehr begrenzt.

Wird das auch ein Thema Ihrer Gespräche in Wien sein?

In Wien werden wir über die Zukunft Europas sprechen und über unsere bilateralen Beziehungen. Die griechisch-österreichischen sind unter den besten in der europäischen Geschichte. Wien war sogar das Zentrum unserer Befreiungsbewegung gegen das Ottomanische Reich. Viele unserer Bücher aus der Zeit, die auf Griechisch herauskamen, sind in Wien gedruckt worden. Ich hoffe, dass wir auch in Zukunft weiter so gut miteinander auskommen und die Spannungen der letzten Monate überwinden werden.

Gerade hat die griechische Regierungskoalition neue Sparmaßnahmen im Parlament verabschiedet – allerdings nur mit einer knappen Mehrheit. Wird man in der Lage sein, diese Maßnahmen auch umzusetzen?

Alle Abmachungen, die wir im vergangenen Sommer mit den EU-Partnern getroffen haben, setzten wir in Gesetze um und realisieren sie in der Praxis. Jetzt meint auf ein Mal der IWF, man müsse zusätzliche Maßnahmen treffen, weil der Fonds besorgt ist, dass wir 2018 unsere Ziele nicht erreichen. Der IWF hat in der Vergangenheit Fehler gemacht – bei den Statistiken, bei den Multiplikatoren. Er hat sich auch mehrmals dafür entschuldigt, geht aber den gleichen Weg weiter. Wir haben eine Abmachung. Dass man auf einmal ein zusätzliches Sparprogramm will, ist eine Art Vertragsbruch.

Wie stabil ist die Regierung Tsipras? Es gab tagelang Streiks und gewaltsame Proteste gegen ihre Sparpolitik.

Sie ist sehr stabil.

Also keine Neuwahlen in diesem Jahr?

Nein. Wir (SYRIZA – Anm.) haben vier Wahlgänge gewonnen: Die EU-Wahl, zwei Parlamentswahlen und ein Referendum. Wozu soll man mehr als vier Mal wählen gehen, um zu wissen, dass diese Regierung den Willen des Volkes zum Ausdruck bringt?

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