Konkurrenz für den Panamakanal

Angst vor Umweltschäden: Die Route des Kanals führt durch den Nicaragua-See, ein wichtiges Trinkwasser-Reservoir.
Chinesische Firma baut 278 Kilometer lange Wasserstraße. Die Bevölkerung fühlt sich übergangen.

Für die einen ist es " wie eine Reise zum Mond", die Nicaragua einen gewaltigen Entwicklungsschub verleihen werde, für die anderen der Ausverkauf ihres Landes. Die Rede ist vom größten Bauvorhaben Mittelamerikas, dem Nicaragua-Kanal.

Am 22. Dezember soll der Spatenstich für das 40-Milliarden-Euro-Projekt erfolgen. Schon sieben Jahre später sollen dann die ersten von jährlich bis zu 5100 gigantischen Containerschiffen die 278 Kilometer lange künstliche Verbindung zwischen Pazifik und Atlantik befahren.

Die Regierung des linksgerichteten Präsidenten Daniel Ortega erhofft durch den Kanal einen enormen Wirtschaftsaufschwung mit bis zu 200.000 neuen Arbeitsplätzen. Nicaragua ist nach Haiti das zweitärmste Land Lateinamerikas, fast jeder Zweite lebt hier unter der Armutsgrenze.

18.000 Container

Vorbild für Ortega ist Panama, in dem es schon seit 100 Jahren einen derartigen Kanal gibt. Das Land nimmt durch die Wasserstraße, durch die rund fünf Prozent des Welthandels fließen, jährlich eine Milliarde Dollar ein. Da die Containerschiffe immer größer werden, wird der Panamakanal bis 2015 ausgebaut – doch der Nicaragua-Kanal soll ihn noch toppen. Ihn sollen die derzeit größten Frachter der Welt mit einer Ladekapazität von 18.000 Containern (länger als das Empire State Building in New York) befahren können. Der Panamakanal wird auch nach seinem Ausbau "nur" für Frachter mit 14.000 Containern schiffbar sein.

Viele Nicaraguaner lehnen den Kanal in ihrem Land allerdings trotz des versprochenen Wirtschaftsaufschwungs ab. Immer wieder gehen Tausende Menschen auf die Straße. Auf Plakaten und in Sprechchören bezeichnen sie den Bau als "größte Gaunerei in der Geschichte Nicaraguas" und Präsident Ortega als Verräter und Dieb, der sein Land verscherble, um sich und seine Familie zu bereichern.

Neben den befürchteten Menschenrechtsverletzungen etwa bei Umsiedlungen und möglichen schweren Umweltschäden – der Kanal führt durch Regenwälder und den Nicaragua-See als größtes Trinkwasserreservoir Mittelamerikas – macht vielen Menschen vor allem eines Sorgen: Nicht Nicaragua wird den Kanal betreiben, sondern Wang Jin, ein selbst in seiner Heimat kaum bekannter Geschäftsmann aus China. Das macht vielen Nicaraguanern Angst: "Wir wollen keine Chinesen", heißt es auf Plakaten im ganzen Land.

Der 42-jährige Wang Jin hat unter anderem durch Telekom-Unternehmen ein Vermögen verdient, unterhält angeblich beste Kontakte zur KP-Führung in Peking, bringt aber kaum Erfahrung in der Baubranche mit. 2013 hat er seiner Firma "Hongkong Nicaragua Development" die Rechte an Bau und Betrieb des Kanals gesichert – auf 100 Jahre. Nicaragua, dessen Regierung und Parlament den Deal im Eiltempo durchgepeitscht haben, ist durch ein Aktienpaket an den Einkünften beteiligt.

"Keine Chinesen!"

Allerdings weiß niemand so genau, wer Wang Jins Geldgeber sind – allein kann auch der Multi-Milliardär das Projekt nicht stemmen. Ist es Russland, das 2008 kurz als Bauherr und Betreiber für den erstmals bereits 1825 angedachten Kanal im Gespräch war? Oder ist es Chinas Regierung, der Wang Jin als Strohmann dient?

Immerhin hätte Peking durch die Kontrolle des Nicaragua-Kanals viele Vorteile. Der Panamakanal, über den China seine Rohstoff-Importe aus Ländern wie Venezuela derzeit transportiert, wird von den USA kontrolliert. Sollte der neue Kanal dem Panamakanal tatsächlich den Rang ablaufen – was viele Experten aber bezweifeln –, hätte China ein gewaltiges Druckmittel in der Hand.

China versucht schon lange, seinen Einfluss außerhalb Asiens zu vergrößern, vor allem in Afrika und in Lateinamerika. Es vergibt großzügig Kredite, tritt als Investor auf, sichert sich langfristig Ressourcen und verdrängt die USA etwa in Chile oder Brasilien zunehmend als wichtigsten Handelspartner.

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