Neuer Polit-Star umgarnt die Linke

Di Maio will jetzt doch Koalitionsgespräche führen.
Der Sieger bei den italienischen Parlamentswahlen erhielt Millionen Stimmen von der ehemaligen Regierungspartei.

Nach der Parlamentswahl in Italien, die einen Sieg der Populisten auf ganzer Länge erbrachte, beginnt das erste Abtasten für eine neue Regierung. Wahlsieger und Chef der Fünf-Sterne-Bewegung Luigi Di Maio, der an der Spitze der stärksten Einzelpartei steht, setzt zunächst als Verhandlungspartner auf die linke Demokratische Partei (PD). Deren Parteichef Matteo Renzi lehnt allerdings eine Koalition mit dem 31-jährigen Premiersanwärter strikt ab. "Wir dürfen nicht zum Steigbügelhalter für Populisten oder Rechtsextreme werden, sondern müssen in die Opposition gehen", so Renzi.

Doch nach der Wahlschlappe brodelt es bei den Linken. Der Widerstand gegen den Parteiführer wird größer. Noch ist der 41-jährige Florentiner aber nicht bereit, sich zurückzuziehen. Dies werde er erst nach einer Regierungsbildung tun. Ein Teil seiner Parteikollegen sieht das völlig anders. Angeblich findet hinter den Kulissen schon ein Austausch mit den Fünf Sternen statt. Di Maio hofft auf weiteren parteiinternen Widerstand gegen Renzi und setzt auf jenen Flügel, der seine Bewegung unterstützen würde.

- Schnittstellen Übereinstimmung könnte es bei sozialpolitischen Themen, etwa bei der Abschwächung des umstrittenen Pensionsgesetzes geben, mit flexibleren Schwellen für das Rentenalter. Auch bei Umweltthemen wie bei der Einführung erneuerbarer Energien könnte man sich einigen. Auch bei der Verfassungsreform ließe sich ein gemeinsamer Weg finden.

- Bruchlinien Differenzen hingegen gibt es bei der Haltung gegenüber Europa. "Grillini" (wie Anhänger der Fünf Sterne wegen des Gründers der Bewegung, Beppe Grillo, genannt werden) haben stets große Skepsis gegenüber Brüssel geäußert. Bis vor kurzem plädierten sie noch für ein Referendum über einen Ausstieg aus der Eurozone. Viele Reibungspunkte dürfte es zwischen den beiden bei der Migrationspolitik geben. Mit ihren Abschottungstendenzen passt die populistische Bewegung eher ins rechte Lager.

"Renzi könnte die Verhandlungen torpedieren. Er will ja eine Zusammenarbeit mit den Fünf Sternen verhindern. Das könnte seine Partei spalten", analysiert Polit-Aktivist Massimo Marnetto gegenüber dem KURIER.

Soziale Ungleichheiten hätten während Renzis Amtszeit sogar zugenommen, behaupten Kritiker. Der Ex-Premier habe sich mehr um die Rettung der Banken als um neue Arbeitsplätze gekümmert. Nur mehr wenige Privilegierte hätten es sich leisten können, PD zu wählen, so kritische Beobachter. Meinungsforscher prognostizierten deswegen schon seit Wochen eine "historische Niederlage". Und so kam es auch.

Pikant: Millionen enttäuschter Wähler liefen der PD davon und gaben den "Grillini" ihre Stimme. Insgesamt elf Millionen haben für die Grillo-Partei gestimmt. Die Systemgegner profitieren vom Frust über die Wirtschaftskrise, fehlenden Jobs und Perspektiven. Vor diesem Hintergrund klingt die Aussicht auf ein bedingungsloses Grundeinkommen, wie es die Fünf Sterne versprechen, besonders verlockend für (ehemalige) Linkswähler.

Linke Krise

EU-weit Michele Serra vergleicht in der Zeitung La Repubblica die Fünf-Sterne-Bewegung mit einem "riesigen Geisterschiff, das alle aufnimmt, aber niemandem sagt, wo die Fahrt hingeht". Vielleicht weil sie selbst keine Idee davon hat. Für jene Millionen Italiener, die den Linken die Treue hielten, sei es jedenfalls ein katastrophaler Moment. Die einzige Sicherheit derzeit sei ein Neubeginn bei Null.

Der britische Historiker Donald Sassoon sieht das Debakel der italienischen Linken im europäischen Kontext: Die Sozialdemokratie steckt in der Krise.

Renzis Fehler sei gewesen, so Sassoon, an den Bedürfnissen der Bevölkerung "vorbei zu regieren". "In einem Land mit einer derart hohen Arbeitslosigkeit hatte die Linke nichts anderes gemacht, als über Verfassungsreformen und Wahlgesetz zu debattieren." Man habe sich nie um Lösungen der wirtschaftlichen und sozialen Krise bemüht. Außer das nächste Sparprogramm zu verordnen.

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