Italiens neue Regierung steht: Einigung zwischen Fünf Sternen und PD
Die Regierungskrise in Italien ist wohl beendet: Der Chef der Fünf Sterne-Bewegung, Luigi Di Maio, bestätigte am Mittwoch, dass seine Gruppierung zur Koalition mit den Sozialdemokraten (PD) bereit sei. Das gab er nach seinen Konsultationen mit Staatschef Sergio Mattarella bekannt. "Wir entziehen uns unserer Verantwortung nicht", sagte Di Maio. Präsident Mattarella will Permier Giuseppe Conte am Donnerstagfrüh um 9.30 Uhr zu seinem Gespräch bitten. Erwartet wird, dass der parteilose Conte den Auftrag zur Bildung einer Regierungsallianz aus Fünf Sternen und Sozialdemokraten erhält.
Der 33-jährige Di Maio erklärte zuvor, seine Bewegung wolle das Versprechen halten, das sie den Italienern gemacht habe. "Wir sind eine postideologische politische Kraft, die weder rechts noch links ist, sondern lediglich nach Lösungen für die Probleme des Landes sucht. Rechts und links sind überholte Schablonen", sagte Di Maio. Sein Ziel sei die Umsetzung des Regierungsprogramms, dem sich die Bewegung bereits in den vergangenen 14 Monaten verpflichtet gefühlt habe.
Conte sei Mann von "großem Mut"
Di Maio betonte, dass seine Partei an Conte als Premier der neuen Regierung festgehalten habe. Conte sei ein Mann von "großem Mut", der im ausschließlichen Interesse Italiens arbeite. "Er ist der Garant für die Umsetzung unseres Programms", sagte der scheidende Vizepremier. Auch die PD habe eingewilligt, Conte als Premier zu unterstützen.
Di Maio erklärte, die Lega habe ihm den Premierposten und die Weiterführung der gemeinsamen Koalition angeboten, die Italien seit Juni 2018 regiert hatte. Er bedankte sich für das Angebot, er habe jedoch keine diesbezüglichen Ambitionen. Er denke nur an das Beste für Italien.
Mit dem Treffen mit der Delegation der Fünf Sterne-Bewegung ist Mattarellas zweitägige Konsultationsrunde zu Ende gegangen. Erwartet wird, dass der Präsident dem vergangene Woche zurückgetretenen Conte einen neuen Auftrag zur Regierungsbildung erteilen wird.
Salvini als großer Verlierer
Kritik kam bereits zuvor vom großen Verlierer dieser neuen Konstellation: Matteo Salvini. Er bezeichnete die Vorgänge als "Postenschacher" und kritisierte die Regierungsverhandlungen scharf. Das einzige Klebemittel der beiden ungleichen Parteien sei der "Hass" gegen ihn und seine Lega, kritisierte Salvini, der von Neuwahl ausgegangen war und sich dementsprechend offensiv inszenierte.
In einer Ansprache nach seiner Konsultation mit Italiens Präsidenten Sergio Mattarella am Mittwoch warnte Salvini vor einer "langen Agonie", die Italien mit einer neuen Regierung aus "Cinque Stelle" und PD bevorstehe.
"Salvini hat sich total verschätzt"
„Salvini hat sich total verschätzt“, sagt Politikwissenschaftler Günther Pallaver, der an der Universität Innsbruck zur italienischen Innenpolitik forscht. „Salvini hat sowohl die Rolle der Fünf Sterne unterschätzt, als auch jene des Staatspräsidenten, sowie die von Matteo Renzi.“
Renzi ist nach der Niederlage bei der Wahl im Vorjahr zwar nicht mehr Parteichef der Sozialdemokraten, aber als ehemaliger genießt er noch die Loyalität der PD-Abgeordneten im Parlament. Er war es, der die Sozialdemokraten mitten in der Regierungskrise auf eine europafreundliche „Koalition der Vernunft“ eingeschworen hat. „Er war der erste, der sich gegenüber der Zusammenarbeit mit den Fünf Sternen geöffnet hat“, sagt Pallaver zum KURIER. Und das, obwohl diese in den vergangenen Monaten keine Gelegenheit ausließen, gegen den Ex-Premier zu wettern.
Auch Lob von Trump für Conte
Als „Schatten-Premier“ und „Platzhalter“ verspottete man Conte in den ersten Monaten seiner Amtszeit in Italien. International hingegen wurde er für sein seriöses Auftreten, sein berufliches Know-how und sein diplomatisches Verhalten gelobt. Zweimal gelang es Conte, in Brüssel ein Defizitverfahren abzuwenden. Beim G7-Gipfel in Frankreich, zu dem ihn sein 11-jähriger Sohn Nicolà begleitete, machte der stets elegant gekleidete und gebildete Conte ebenfalls eine „bella figura“. Und fand in US-Präsident Donald Trump einen Fan. Über Twitter ließ Trump verlauten, er hoffe, dass Conte Premier bleibe, denn er sei ein „sehr talentierter Mann“.
"Links gewählt"
Seit seiner fulminanten 50-minütigen Rücktrittsrede im Parlament vergangene Woche konnte Conte auch die letzten Kritiker, die ihm Schwäche und Einflusslosigkeit vorwarfen, in die Schranken weisen. Eloquent listete er die Fehler und die Verstöße gegen die Verfassung auf, die sich Lega-Innenminister Salvini leistete.
Als neuer „Anti-Salvini“ genießt Conte plötzlich auch Sympathien im moderaten linken Lager. „In der Vergangenheit habe ich links gewählt. Heute denke ich, dass die ideologischen Schablonen des 20. Jahrhunderts überholt sind“, betonte Conte einmal.
Eine „Marionette“ war der progressive, pro-europäische Topjurist aus Apulien ohnehin nie. Dafür hatte der ehemalige Professor für Privatrecht gegenüber seinen Vize-Premiers und Studienabbrechern Luigi Di Maio (Fünf Sterne) und Salvini einen zu großen Wissensvorsprung. Die schwierige Vermittlerrolle zwischen den ungleichen Partnern hat er stets mit Dialogbereitschaft und sachlicher Kompetenz gemeistert. Beides Fähigkeiten, die auch in einer Koalition mit den Sozialdemokraten sehr gefragt sein dürften.
Kommentare