Neue Generation: Die Posterboys der Politik

Österreichs Kanzler Kurz mit Frankreichs Präsidenten Macron
Dynamisch, selbstbewusst, mit Gespür für Stimmungen dominieren junge Männer die Politik. Lösen sie das alte Establishment ab?

Sebastian Kurz, Justin Trudeau und Emmanuel Macron – drei Namen, ein Erfolgsmodell. Spätestens seit Kurz’ Wahl zum jüngsten Regierungschef der Welt 2017 gelten junge, charismatische Männer – wie auch Kanadas Premier und der französische Präsident – als der neue Politikertyp. Dynamisch, aber nicht aggressiv, selbstbewusst, doch nie selbstherrlich und mit einem Gespür für gesellschaftliche Stimmungen rennen Kurz und Co. offene Türen ein und sammeln selbst Menschen, die sich bisher nicht für Politik engagiert haben, in neu gegründeten „Bewegungen“.

Slim-Fit-Generation

Auch wenn zuletzt Emmanuel Macrons Macher-Image durch die Gelbwesten-Bewegung in Frankreich (siehe Artikel unten) gelitten hat – sein Typ ist weiterhin aktuell. Warum die wegen ihrer figurbetonten Anzüge als „Slim-Fit-Generation“ oder „Posterboys“ bezeichneten Politiker derart reüssieren können, weiß Dorothee Beck. „Sie versuchen, sich vom alten Typus des Parteipolitikers abzusetzen und ein Anti-Establishment-Image anzunehmen“, analysiert die politikwissenschaftliche Geschlechterforscherin von der Universität Marburg gegenüber dem KURIER.

Populismus

Sie reagierten vermeintlich unideologisch auf die bisherige Parteienpolitik, die in der Bevölkerung den Eindruck erweckt, dass es nur noch um Machterhalt und das Aushandeln schlechter Kompromisse gehe. Für das Image, alles anders zu machen, würden einige auch in die populistische Kiste greifen. Dabei, gibt die Forscherin zu bedenken, stammen die neuen Polit-Stars großteils selbst aus dem politischen Establishment.

Neue Generation: Die Posterboys der Politik

Kanadas Premier Justin Trudeau

Tatsächlich hat etwa der 41-jährige Macron eine Eliteuni absolviert, der sechs Jahre ältere Trudeau ist der Sohn eines früheren kanadischen Premierministers und Kurz ein Berufspolitiker, der es über klassische Karrierewege nach oben geschafft hat – wenn auch schneller und in deutlich jüngerem Alter als andere.

Allen gemeinsam ist, dass sie auf der Klaviatur der Social Media perfekt spielen. Das trifft auch auf den selbst ernannten venezolanischen Gegenpräsidenten Juan Guaido (35) zu. Dort, aber auch sonst gehe es laut Beck „zu einem großen Teil um Inszenierungen, letztendlich machen diese Politiker aber keine „andere Politik, sondern füllen alten Wein in neue Schläuche“.

Social Media als Vehikel

„Das hat dann damit zu tun, dass sie Grundprobleme nicht lösen“, sagt Beck. „Macron hat ein Schröder’sches Programm (gemeint ist der deutsche Ex-Kanzler Gerhard Schröder, SPD), viele Menschen entdecken, dass sie davon nicht profitieren, was mit zur Gelbwesten-Bewegung geführt hat.“ Andere Politiker hätten schlicht keine Erfolge erzielt, wie Tsipras, der sich am Ende (im Schuldenstreit) doch den harten EU-Forderungen gefügt habe. Christian Lindner (40), der Hoffnungsträger der deutschen FDP, habe die Ex-Regierungspartei zwar zurück in den Bundestag geführt, habe aber am Ende vor einer Koalition mit Union und Grünen gekniffen.

Neue Generation: Die Posterboys der Politik

Ehemalige Kanzlerhoffnung der Union: Der Deutsche Karl-Theodor zu Guttenberg

Manchmal spielen auch persönliche Verfehlungen eine Rolle, wie man bei Karl-Theodor zu Guttenberg sah: Die deutsche Kanzlerhoffnung der Union stolperte 2011 mit 39 Jahren über Plagiate in seiner Doktorarbeit.

Ende der Inszenierung

Ob sich die Wähler irgendwann an den „Posterboys“ satt gesehen haben, ist unklar. Anzeichen dafür sieht Beck in der „Fridays for Future“-Bewegung: „Die dort aktive Jugend, die künftigen Wählerinnen und Wähler, geht sehr hart mit den Politikern ins Gericht. Da gibt es schon Hinweise, dass diese Art der Inszenierung nicht mehr funktionieren könnte.“ Andererseits gebe es immer wieder neue Politstars, wie Guaido in Venezuela.

Wo sind „Postergirls“?

Bleibt noch die Frage nach „Postergirls“ – beziehungsweise deren Fehlen. Immerhin rücken oft Frauen an, um Parteien zu „retten“, wie etwa Pamela Rendi-Wagner (SPÖ). „Das ist der typische Karriereweg. Frauen kriegen die Chance, wenn die Männer in den Parteien es so richtig vermasselt haben und wenn sich kein Mann findet, der sich zutraut, den Karren aus dem Dreck zu ziehen“, sagt dazu Beck. „Da gibt es eine extreme Chance zu scheitern, und wenn das einer Frau passiert, heißt es: Da siehst du es.“

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