"Bibi" Netanyahu vor Comeback: Mithilfe ultrarechter Religiöser

Benjamin Netanjahu und seine Frau geben ihre Stimme ab.
Israels Ex-Premier Netanyahu braucht Extremisten für eine regierungsfähige Mehrheit.

Rund ein Jahr hat es gedauert – nun dürfte Israels längstdienender Premier zurück an die Macht kehren. Bei der fünften Wahl innerhalb von nur dreieinhalb Jahren hat der 73-jährige Oppositionsführer und frühere Regierungschef Benjamin Netanyahu am Dienstag einen Sieg eingefahren: Wie die ersten Exitpolls nach der Wahl ergaben, holte der Chef der konservativen Likud-Partei 30 oder 31 Sitze der insgesamt 120 Mandate des israelischen Parlaments.

Seinen Erfolg bezeichete Netanyahu - Spitzname "Bibi" - als „guten Anfang“. Der endgültige Ausgang der Wahl werde sich jedoch erst nach Auszählung aller Stimmen zeigen, sagte er am Dienstagabend bei einem Treffen mit Anhängern.

Der 73-jährige Ex-Premier hat stets polarisiert: Während der vergangenen 26 Jahre hat Netanyahu 15 davon in Israel regiert – und dabei seine politischen Gegner verschiedener Lager so sehr zusammengeschweißt, dass diese im Vorjahr zu einer Acht-Parteien-Anti-Netanyahu-Koalition zusammengerückt waren.

Doch die fragile Regierung unter dem liberalen Premier Jair Lapid hielt kaum ein Jahr. Lapids moderate „Zukunftspartei“ holte gestern 22 bis 24 Sitze.

Hohe Wahlbeteiligung

Bis zum Abend hatte sich eine deutlich höhere Wahlbeteiligung (66.3 Prozent) als zuletzt abgezeichnet – die höchste seit mehr als 20 Jahren. Dies half allerdings Premier Lapid und seinem liberal-linken Parteienblock wenig. Schon die Meinungsumfragen hatten zuletzt in die andere Richtung gewiesen:

Das Land ist weiter nach rechts gerückt – die Parteien im rechten Lager, angeführt von Netanyahus Likud, dürften insgesamt 61oder 62 der 120 Mandate in der Knesset gewonnen haben. Damit hätten sie die knappe, aber notwendige absolute Mehrheit, um eine regierungsfähige Koalition bilden zu können. Allerdings kann sich bis zur Auszählung aller Stimmen das Ergebnis auch noch einmal entscheidend ändern.

Doch schon vor Auszählung der Stimmen war klar: Will Benjamin Netanyahu zurück an die Macht, muss er ein Tabu brechen und die ultrarechte Partei „Religiöse Zionisten“ in eine Koalition holen.

Rassistische Hetzen

Dessen Parteichef Itamar Ben-Gvir, ein 46-jähriger Rechtsanwalt, erlebte mit seinen radikalen Parolen im Wahlkampf einen regelrechten Popularitätsschub: 15 Mandate hat er mit seinen „Religiösen Zionisten“ geholt; sie sind damit die drittstärkste Kraft in Israel. Die Partei war vor zwei Jahren noch kaum mehr als eine religiöse Sekte gewesen.

Mehrmals wurde Ben-Gvir in den vergangenen Jahren wegen rassistischer Hetze verurteilt. Früher galt er als Anhänger des rechtsextremen Rabbiners Meir Kahane, dessen Kach-Partei von Israel, der EU und den USA als Terrororganisation eingestuft wird.

Ben-Gvir lebt als Siedler mit Frau und fünf Kindern in Hebron. Einst posierte er unter einem Bild von Baruch Goldstein – der hatte 1994 am Grab des Patriarchen ein Massaker mit 29 Toten unter betenden Muslimen angerichtet. Im aktuellen Wahlkampf gab sich Ben-Gvir eine Spur gemäßigter und beteuerte, Goldstein sei für ihn „kein Held mehr“.

Westjordanland annektieren

Im Wahlprogramm des Uralradikalen steht: Israel müsse das gesamte Westjordanland annektieren. Und mehr noch: Auch die unabhängige Justiz des Landes solle gestutzt werden. So fordert Itamar Ben-Gvir die Entmachtung des Obersten Gerichtshofes Israels – das Parlament könnte so die Entscheidungen des Gerichts überstimmen. Ex-Premier Benjamin Netanyahu käme dies durchaus zupass: Gegen ihn laufen vor den Gerichten drei Korruptionsverfahren.

Wenn das amtliche Endergebnis feststeht, bestimmt Präsident Izchak Herzog, wer den Auftrag zur Regierungsbildung erhält. Der Kandidat hat vier Wochen Zeit, eine Koalition zu bilden.

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