Fall Nemzow: Ein Komplott aus Tschetschenien?

Blumen am Ort der Bluttat auf einer Brücke nächst dem Kreml
Geständnis unter Folter? Zeitung berichtet von Hintermann in Grosny.

Die Hintergründe und die "Aufklärung" der Ermordung des Putin-Kritikers Boris Nemzow vergangene Woche in Moskau werden immer mysteriöser: Das Geständnis des Hauptverdächtigen Tschetschenen Saur Dadajew und eines Mitgefangenen ist möglicherweise unter Folter zustande gekommen, sagte gestern Andrej Babuschikin, Mitglied der Menschenrechtskommission beim Kreml.

Dadajew und sein Kompagnong, zwei von fünf Verhafteten, wiesen zahlreiche Verletzungen auf, sagte Babuschkin nach einem Besuch im Gefängnis. Sie gaben an, mit Baseballschlägern und Stromstößen gefoltert worden zu sein. Dadajew soll gesagt haben, er habe das Geständnis gegen das Versprechen abgelegt, dass seine Mit-Verhafteten freikämen; später habe er widerrufen wollen, vor Gericht aber keine Gelegenheit dazu gehabt.

Die regierungskritische Moskauer Zeitung Nowaja Gaseta hat die Spekulationen über die Hintergründe der Tat weiter angeheizt. Nicht der verhaftete Dadajew, sondern ein anderer Ex-Militär aus Tschetschenien sei der Mastermind hinter der Ermordung Nemzows, schreibt das renommierte Blatt. Es nennt ihn nur beim Vornamen, Ruslan. Der Familienname sei der Redaktion, aber auch Präsident Wladimir Putin und russischen Geheimdienstlern bekannt. Es gebe zudem eine Todesliste, auf der sich neben Nemzow und zwei prominenten Journalisten auch der im Ausland lebende Ex-Oligarch Michail Chodorkowski befinden sollen.

Fall Nemzow: Ein Komplott aus Tschetschenien?
Zaur Dadayev, charged with involvement in the murder of Russian opposition figure Boris Nemtsov, stands inside a defendants' cage in a court building in Moscow, March 8, 2015. Russian authorities said on Sunday they were holding five men over the killing of Kremlin critic Boris Nemtsov, one of whom served in a police unit in the Russian region of Chechnya, according to a law enforcement official. A judge ruled that all five should be held in custody and said that one of them, Zaur Dadayev, had admitted his involvement in the killing when questioned by investigators. REUTERS/Tatyana Makeyeva (RUSSIA - Tags: CRIME LAW POLITICS)
Der hochdekorierte Major Ruslan, der wie Dadajew früher im tschetschenischen Sondereinsatz-Bataillon "Sewer" (Nord) gedient habe, sei am Montag in der tschetschenischen Hauptstadt Grosny einvernommen worden. Ruslan habe für zwei in Moskau tätige Onkel gearbeitet, die als "sehr enge" Vertraute von Ramsan Kadyrow, Oberhaupt der russischen Teilrepublik Tschetschenien, gelten.

Kadyrow-Kritiker

Und just alle vier auf der erwähnten Todesliste genannten Personen sind in der Vergangenheit mit Kritik an Kadyrow aufgefallen. Ermittlungsdetails seien vergangene Woche dem russischen Präsidenten präsentiert worden, der Kreml sei über das Verbrechen in Wurfweite der Kreml-Mauern schockiert gewesen.

Der Nowaja Gaseta-Artikel ist nicht namentlich gezeichnet. 2006 hatte ein tschetschenisches Killerkommando die auf Menschenrechtsverletzungen im Nordkaukasus spezialisierte Nowaja-Journalistin Anna Politkowskaja in Moskau erschossen, drei Jahre später wurde mit Natalja Estemirowa eine weitere Mitarbeiterin in Grosny entführt und ermordet.

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