Erste Hilfslieferungen im Gazastreifen eingetroffen
Zwei Wochen nach Beginn des Krieges zwischen Israel und der radikalislamischen Hamas sind erste Hilfslieferungen aus Ägypten im Gazastreifen angekommen. 20 Lastwagen des Ägyptischen Roten Halbmonds passierten am Samstag den Grenzübergang in Rafah. Die Zahl der getöteten Palästinenser im Gazastreifen stieg nach Angaben des von der Hamas kontrollierten Gesundheitsministeriums um mehr als 200 Opfer auf 4385.
Am Samstag erklärte das Ministerium, unter den Opfern seien 1756 Kinder und Jugendliche. Seit Beginn des Kriegs zwischen der islamistischen Hamas und Israel am 7. Oktober wurden demnach zudem 13.561 Menschen verletzt. Die Angaben aus dem Gazastreifen ließen sich zunächst nicht unabhängig überprüfen.
Das ägyptische Staatsfernsehen zeigte mehrere Lastwagen, die den Grenzübergang in Rafah passierten. Von palästinensischer Seite aus überquerten 36 leere Lastwagen den Grenzübergang in Richtung Ägypten, wo sie mit weiteren Hilfslieferungen beladen werden sollten.
Auf dem ersten Konvoi waren 60 Tonnen Lebensmittel des UNO-Welternährungsprogramms (WFP). Dosen mit Thunfisch, Weizenmehl, Nudeln, Bohnen und Tomatenpaste würden so schnell wie möglich an die Bedürftigen verteilt, teilte das WFP am Samstag mit. "Diese Nahrungsmittel werden dringend gebraucht, die Verhältnisse im Süden des Gazastreifens sind katastrophal", sagte die WFP-Exekutivdirektorin Cindy McCain.
Sie appellierte an alle Seiten, weitere Konvois zuzulassen und dafür zu sorgen, dass die humanitären Helferinnen und Helfer im Gazastreifen bei der Verteilung der Hilfsgüter geschützt werden. Das WFP habe weitere 930 Tonnen Lebensmittel auf ägyptischer Seite des Grenzübergangs. Das WFP wolle 1,1 Millionen Menschen in den nächsten zwei Monaten unterstützen.
Der UNO-Nothilfekoordinator Martin Griffiths geht davon aus, dass dem ersten humanitären Konvoi mit 20 Lastwagen für den Gazastreifen nun zügig weitere folgen. "Ich bin zuversichtlich, dass diese Lieferung der Beginn einer nachhaltigen Anstrengung sein wird, die Menschen im Gazastreifen sicher, zuverlässig, bedingungslos und ungehindert mit lebensnotwendigen Gütern wie Nahrungsmitteln, Wasser, Medikamenten und Treibstoff zu versorgen", teilte Griffiths am Samstag in Kairo mit. "Die Menschen im Gazastreifen leiden seit Jahrzehnten. Die internationale Gemeinschaft kann sie nicht weiter im Stich lassen."
Die humanitären UN-Organisationen warnen nach der ersten Lieferung vor einer weiter drohenden Verschlechterung der Lage dort. Sie forderten am Samstagabend eine Feuerpause und ungehinderten Zugang für humanitäre Helfer und Hilfsgüter. Die Zahl der Todesfälle könne wegen Krankheitsausbrüchen und mangelnder Versorgung sprunghaft steigen, warnten das WFP, die Weltgesundheitsorganisation (WHO) und andere UN-Organisationen.
"Mehr als 1,6 Millionen Menschen brauchen dringend humanitäre Hilfe", hieß es in ihrem Aufruf. "Es gibt eine alarmierende Sterberate unter Kindern, und ihnen wird das Recht auf Schutz, Essen, Wasser und Gesundheitsversorgung verwehrt."
Die Grenzöffnung zur Lieferung von humanitärer Hilfe war von US-Präsident Joe Biden vermittelt worden. Die humanitären Hilfen für die Bevölkerung im Gazastreifen sollen nach Angaben des israelischen Militärs lediglich den Süden des Gebiets erreichen. Treib- und Brennstoffe seien nicht Teil der Lieferungen, teilt ein Militärsprecher mit.
Unklar, wie lange Grenze offen bleibt
Wie lange die Grenze für Hilfslieferungen offen bleiben sollte, blieb zunächst unklar. Ein Team aus Medizinern sollte mit den Lastwagen ebenfalls in den Gazastreifen einfahren. Die Vorbereitungen zur Einfahrt seien zunächst gestoppt worden wegen neuer Luftangriffe Israels in den frühen Morgenstunden, hieß es aus Sicherheitskreisen.
Rafah gilt als der einzige Weg, dringend benötigte Hilfe in den Gazastreifen zu bringen. Israel hatte einer Öffnung des Grenzübergangs für die Lieferung von Wasser, Lebensmitteln und Medikamenten zugestimmt. Die Lkw und Krankenwagen waren bei einem Großaufgebot an Sicherheitskräften zur Grenze gefahren. Auf einigen steht geschrieben: "Für unser Volk in Palästina".
"Dies ist ein wichtiger erster Schritt, der das Leid unschuldiger Menschen lindern wird", kommentierte EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen. Ihr Dank gelte allen, die die Öffnung des Grenzübergangs Rafah zum Gazastreifen für humanitäre Hilfe ermöglicht hätten. Die EU hatte bereits am Wochenende zuvor mitgeteilt, dass sie ihre humanitäre Hilfe für die notleidende Zivilbevölkerung im Gazastreifen kurzfristig auf mehr als 75 Millionen Euro verdreifacht. Zur Lieferung von Hilfsgütern wurde außerdem eine Luftbrücke nach Ägypten eingerichtet.
Humanitäre Hilfe
Auch der deutsche Bundeskanzler Olaf Scholz begrüßte das Anlaufen von Hilfslieferungen. "Es ist gut und wichtig, dass jetzt erste humanitäre Hilfe für die Menschen in Gaza kommt. Sie brauchen Wasser, Nahrung und Medikamente - wir lassen sie nicht allein", schrieb Scholz am Samstag auf der Plattform X, früher Twitter. Die deutsche Bundesregierung setze sich weiter über alle Kanäle dafür ein, das Leid in diesem Konflikt zu lindern, schrieb der SPD-Politiker.
Der britische Außenminister James Cleverly warnte, die Öffnung des ägyptischen Grenzübergangs Rafah dürfe kein einmaliges Ereignis sein. "Lastwagen mit lebensrettenden Hilfsgütern beginnen nun, Rafah nach Gaza zu überqueren", teilte Cleverly bei X mit. "Die Hilfe ist eine Rettungsleine für die Leidenden. Aber sie darf keine einmalige Sache sein. Das Vereinigte Königreich setzt sich weiterhin für humanitären Zugang zum Gazastreifen ein."
UNO-Generalsekretär António Guterres hatte den Grenzübergang am Freitag auf ägyptischer Seite besucht und eine rasche Abfahrt für die Laster gefordert. Zwei Millionen Menschen im Gazastreifen würden "enorm leiden", weil ihnen unter anderem Wasser, Nahrungsmittel und Medikamente fehlten. "Diese Lastwagen machen den Unterschied zwischen Leben und Tod für so viele Menschen im Gazastreifen." Israel verhängte nach Beginn des jüngsten Konflikts eine Blockade des Gazastreifens und riegelte die Küstenenklave damit faktisch ab.
Die Hamas hatte am 7. Oktober einen Großangriff auf Israel gestartet und dabei etwa 1400 Menschen getötet sowie rund 200 Menschen in den Gazastreifen verschleppt. Als Reaktion auf den Angriff riegelte Israel den Gazastreifen ab und startete dort massive Luftangriffe. Nach Angaben der Palästinenserorganisation Hamas wurden seit Kriegsbeginn mindestens 4137 Menschen in dem Gebiet getötet und 13.162 weitere verletzt.
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