"Beide Völker sind hier, um zu bleiben"

Regisseur Schirman und sein ungewöhnlicher Blick auf den Nahost-Konflikt.

Ehre, Vertrauen, Respekt sind Schlüsselworte im Dokumentarfilm "The Green Prince" des israelischen Regisseurs Nadav Schirman (43). Er bietet politische, strategische und psychologische Einblicke in den Nahostkonflikt.

Hamas

Dokumentiert wird die Geschichte von Mosab Hassan Yousef, dem ältesten Sohn des Hamas-Mitbegründers Hassan Yousef. Wie der junge Palästinenser im Westjordanland sozialisiert und politisiert wird. Bei seinem ersten Waffenschmuggel verhaftet ihn der israelische Inlandsgeheimdienstes Shin Beth. Der psychologisch versierte Agent Gonen Ben Yitzhak heuert ihn als "The Green Prince" an. In der Doku erzählen Mosab und Gonen selbst ihre Geschichte und jene des Nahostkonflikts. Die beiden vertrauen einander schließlich blind. Und Gonen rettet Mosab, als beide schon dem Geheimdienst den Rücken gekehrt hatten, das Leben.

Wie wichtig der Film ist, zeigte die Premiere in Tel Aviv. 600 Israelis kamen, von links und rechts, Politiker, Geheimdienstleute, Künstler. "Nach dem Film kamen Mosab und Gonen auf die Bühne, und alle standen auf und applaudierten. Standing Ovations, elf Minuten lang. Das ist außergewöhnlich für Israel", erzählt Schirman im Gespräch mit dem KURIER anlässlich der ausverkauften Filmpremiere in Wien. "Freunde von mir haben gesagt: Pass auf, der Friedensprozess ist vor etwa einer Woche völlig kollabiert. Die Menschen brauchen etwas, das sie optimistisch stimmen kann. Vielleicht gibt ihnen der Film dieses Stück Optimismus."

Begegnungen

Der Israeli erzählt von persönlichen, sehr freundlichen Begegnungen in Ramallah, wo er zuerst als Israeli doch ein bisschen Angst hatte. "Im direkten Gespräch kannst du alle Grenzen – Religion, Politik – überwinden. Wir sind einander sehr ähnlich. Wir sind alle Söhne und Töchter dieser Region. Beide Völker sind hier, um auch zu bleiben. Also sollten sie besser einen Weg finden, um zusammenzuarbeiten." Das Problem sei, dass es durch die Politik und die Mauer keinen zwischenmenschliche Kontakt mehr gebe.

Schirman unterstreicht die Bedeutung von Respekt, Ehre und Schande in der arabischen Mentalität. Doch in der israelischen Politik fehle es immer wieder an diesem Einfühlungsvermögen. Als Beispiel führt er die Friedensverhandlungen in Camp David an: "Alles war vereinbart, es hätte funktionieren können. Aber: Sie haben Palästinenserführer Arafat nichts in die Hand gegeben, um in Ehren zurückzukehren. Um seine Ehre zu retten, blieb ihm nur ein einziger Weg: eine Intifada."

Welche Schlüsse zieht der Filmemacher aus dem Beispiel von Gonen und Mosab für die Politik? "Beide sind das Risiko eingegangen, dem jeweils anderen zu vertrauen." Ohne dem gehe gar nichts. "Wenn Sie zurückblicken: Ägyptens Präsident Sadat hat ein enormes Risiko auf sich genommen (Friedensvertrag mit Israel, Anm.) und dafür mit seinem Leben bezahlt. So wie auch Yithzak Rabin (der israelische Premier und Friedensnobelpreisträger wurde von einem Israeli erschossen)."

Und heute? Gibt es Politiker, denen er diesen Mut zutraut? "Das kann ich nicht sagen. Wir stehen in Israel vor Neuwahlen." Überraschungen seien immer möglich.

Kommentare