Moskau-Treffen: Der persönliche Draht von Erdoğan zu Putin

Erdoğan und Putin am Mittwoch in Moskau
Sieben Treffen, 18 Telefonate 2018: Der türkische Präsident setzt im Syrien-Konflikt auf guten Kontakt mit dem Kreml-Chef.

Recep Tayyip Erdoğan ist stolz auf sein gutes Verhältnis zu Wladimir Putin. Mit keinem anderen internationalen Spitzenpolitiker pflegt Erdoğan so enge persönliche Kontakte wie mit dem Kreml-Chef. Mittwoch trafen sich beide zu ihrem ersten Gipfel in diesem Jahr, bei dem es wieder um Syrien ging. Erdoğan nimmt Politik persönlich – und glaubt, im direkten Gespräch mehr erreichen zu können als mithilfe von Ministern, Beratern und Experten.

Insgesamt sieben Mal sprachen sich Erdoğan und Putin im vergangenen Jahr persönlich, außerdem telefonierten sie 18 Mal, hat die türkische Nachrichtenagentur Anadolu gezählt. Die Krise des Jahres 2015, als die türkische Luftwaffe an der syrischen Grenze ein russisches Flugzeug vom Himmel holte, ist längst vergessen. Seit Überwindung des Streits im Jahr 2016 haben sich die Präsidenten bei mindestens 15 Gelegenheiten getroffen.

Persönlicher Draht

Moskau-Treffen: Der persönliche Draht von Erdoğan zu Putin

RUSSIA-POLITICS

Putin telefoniert auch gern mit Amtskollege Erdogan...

Dass ein guter persönlicher Draht zwischen Politikern dazu beitragen kann, politische Interessensgegensätze zwischen zwei Staaten zu überbrücken, ist nicht neu. Im Zeitalter der Autokraten, die sich mehr auf den eigenen Instinkt als auf den Rat der Fachleute verlassen, ist die persönliche Chemie noch wichtiger geworden.

Erdoğan treibt dieses Prinzip weiter als die meisten seiner Kollegen auf der internationalen Bühne. Die Türkei und Russland sind in Syrien eigentlich Rivalen – Erdoğan ist ein Gegner von Staatschef Baschar al-Assad, während Putin den Präsidenten in Damaskus stützt – und standen auch im Kalten Krieg über Jahrzehnte auf verschiedenen Seiten. Doch bei den Gesprächen der beiden Staatschefs merkt man davon nichts.

Moskau-Treffen: Der persönliche Draht von Erdoğan zu Putin

Erdoğan hat die Erfahrung gemacht, dass er im persönlichen Gespräch mit Putin schwierige Probleme lösen und pragmatisch ins Geschäft kommen kann. Zusammen mit dem russischen Präsidenten arbeitete er im vergangenen Jahr eine Lösung für die syrische Provinz Idlib aus, die einen Großangriff der syrischen Armee auf die Rebellenhochburg und damit eine neue Fluchtwelle von Millionen Menschen in die Türkei bisher verhindert hat.

Gleichzeitig baute das Paar die türkisch-russische Kooperation auch auf anderen Gebieten aus: Die Türkei ist eine wichtige Relais-Station für die russische Gaspipeline TurkStream und will zum Entsetzen ihrer NATO-Partner das russische Raketenabwehr-System S-400 kaufen. Millionen von russischen Urlaubern bevölkern die türkischen Strände, während russische Firmen das erste Atomkraftwerk der Türkei bauen. In der NATO geht die Sorge um, dass Putin die Türkei aus ihrer traditionellen Westbindung herauslöst.

Moskau-Treffen: Der persönliche Draht von Erdoğan zu Putin

Auch bei der Gaspipeline TurkStream sind die beiden Partner

Kontakt nach Nutzen

Doch Ost und West sind dem Machtpolitiker Erdoğan nicht so wichtig. Er betreibt persönliche Diplomatie überall da, wo er sich einen Nutzen davon verspricht: auch in seinem Verhältnis zu Donald Trump. Wie Putin und Erdoğan ist auch Trump ein Politiker, bei dem etablierte Strukturen wie Ministerien und Beraterstäbe weniger zählen als die eigene Entscheidungsgewalt – was zu Resultaten führen kann, die Freund und Feind überraschen.

Als Erdoğan und Trump Mitte Dezember telefonisch über die Lage in Syrien sprachen, beschrieb der türkische Präsident seine Vision von einer türkischen Ordnungsmacht im südlichen Nachbarland. Seine Soldaten würden mit den Resten des Islamischen Staates (IS) kurzen Prozess machen, versprach Erdoğan. Trump war beeindruckt. „Wissen Sie was? Sie können es haben. Ich geh’ da raus“, sagte Trump kurzentschlossen – und ordnete noch während des Gesprächs den Abzug der 2000 amerikanischen Soldaten aus Syrien an.

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