Moskau: Kleine Revolution von Unten gegen Putin
Die Provinzwahlen in Russland sind eine Art Test für die Präsidentschaftswahlen im kommenden Jahr, und es lief auch alles nach Plan in 16 Provinzen - bis auf Moskau. Denn in der Hauptstadt erlebte die Kremlpartei „Einiges Russland“ eine komplette Überraschung. Zweite Kraft wurde da das liberale Bündnis „Team Demokratie“ – zwar mit Abstand, aber doch mit einer Stärke, vor allem aber nach einer Kampagne, die im Kreml für Nervosität sorgen dürfte.
Denn es ist eine völlig neue Strategie der Opposition, mit der es der Kreml zu tun hat. Vor allem aber auch: Völlig neue Gesichter. Das Bündnis geht auf den charismatischen Jung-Politiker Dmitrij Gudkow zurück. Der 1980 geborene Politiker war bis vor einem Jahr noch als unabhängiger Abgeordneter in der Staatsduma gesessen. Gemeinsam mit dem Oppositionellen Maxim Katz und dem weißrussischen Politikberater Vitalij Shkliarow (der als Mitarbeiter in der Kampagne von US-Präsidentschaftsbewerber Bernie Sanders Erfahrung gesammelt hat) startete er die massenhafte Mobilisierung von Kandidaten für Bezirksräte, trainierte diese und begann einen Wahlkampf von Tür zu Tür – ohne die große Bühne zu suchen.
Und das Konzept ging auf: Im Bezirk Twerskaya, der als Kreml-treu gilt, gingen 11 der 12 zu vergebenden Sitze an die Opposition. Besonders schmerzhaft für den Kremlchef aber ist der Wahlbezirk Gagarinsky, in dem Präsident Wladimir Putin registriert ist: Dort fielen alle 12 der zu vergebenden Sitze an das „Team Demokratie“. Einiges Russland ist dort nicht mehr vertreten. Zwar ist der Bezirk, mit dem Putin nicht mehr als ein Wohnsitz in einem Hochhaus verbindet, seit jeher renitent. Kommunisten und Liberale waren in der Region immer schon stark. Aber der Verlust schmerzt.
Alles in Allem gewann die liberale Opposition in zehn Moskauer Bezirken die Mehrheit. In Summe gewann sie rund 200 Sitze. Obwohl die Bezirksräte politisch mehr oder weniger irrelevant sind, ist der Symbolcharakter dieses Sieges nicht zu unterschätzen. Die Verdrossenheit gegenüber den politischen Eliten ist groß. Ebenso der Ärger über die geplanten Abrisse alter Wohnhäuser und die Verhochhausung der Stadt bei zugleich steigenden Preisen.
Gudkow will für das Bürgermeisteramt kandidieren
Auch hört sich das Ergebnis des „Team Demokratie“ im Vergleich zu 1151 Sitzen für „Einiges Russland“ mickrig an, es verschafft dem Bündnis aber das Fundament für kommendes Jahr. Denn da wird nicht nur der Präsident neu und vermutlich wieder gewählt, sondern auch der Bürgermeister Moskaus. Für eine Kandidatur für das Amt braucht es 110 Unterschriften lokaler Vertreter. Munizipaler Filter heißt dieses System. Diese Hürde ist mit 200 Bezirksabgeordneten für die Opposition genommen. Und Gudkow hat bereits angekündigt, für das Amt kandidieren zu wollen.
Sorgen dürfte dem Kreml vor allem aber auch bereiten, dass mit Gudkow ein besonnener Politiker relevanter wird, dem das Potenzial zugeschrieben wird, die liberale Opposition zu einen. Etwas, dass dem nationalistischen Heißsporn Alexei Nawalny nicht gelungen ist. Der schaffte es nicht einmal, Gudkow zu seinem Erfolg zu gratulieren.
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