Moskau geißelt Flüchtlingspolitik

Mitterlehner bei Medwedew
ÖVP-Chef in zentralen Fragen einer Meinung mit Russen-Premier.

Vizekanzler Reinhold Mitterlehner hat bei seinem zweitägigen Arbeitsbesuch in Moskau den Geist der Freundschaft und langjährigen Partnerschaft mit Russland beschworen. Höhepunkt war ein Treffen mit Premier Dimitrij Medwedew.

Von der Flüchtlingsfrage über die EU-Sanktionen bis zur Energiepolitik sind die beiden so gut wie überall einer Meinung. Ziel des Liebeswerbens in Moskau war primär die Wiederbelebung der Wirtschaftsbeziehungen zu Russland. Da trifft es sich, dass Österreich 1968 der erste Gaskunde war. Ein OMV-Mann strahlte: "Wir bereiten uns schon auf die goldene Hochzeit vor."

Doch zuvor gilt es riesige Probleme aus der Welt zu schaffen: "Europa ist Geisel einer nicht ganz klugen Flüchtlingspolitik. Dass man die Tore so bedenkenlos aufgemacht hat, stellt eine Bedrohung für Österreich, für die EU, aber auch für Russland dar", sagte Medwedew. Er spielte damit auf mögliche "Extremisten und Terroristen" unter den Flüchtlingen an.

Willkommenskultur

Mitterlehner widersprach nicht, sondern kritisierte seinerseits eine überzogene Willkommenskultur und verwies auf Milliardenkosten aus der Flüchtlingskrise, die auch Österreich zu tragen haben werde. Er deutete dabei erstmals eine Größenordnung von bis zu fünf Milliarden Euro an – verteilt auf mehrere Jahre. Bisher war stets eine Milliarde für ein Jahr genannt worden.

Der Flüchtlingsandrang sei jedenfalls das größte Problem Europas. Und Russland spiele bei der Bewältigung der Fluchtursachen in Syrien und der Türkei eine besonders wichtige Rolle, so Mitterlehner. Er hoffe hier auf eine gemeinsame Linie Russlands mit der EU. Aber selbst in Deutschland, schilderte der ÖVP-Chef, schwanke man zwischen der "Machtfrage" in der Regierung und der "Glaubwürdigkeitsfrage" gegenüber der Bevölkerung.

Der Vizekanzler erwartet, dass sich das Flüchtlingsproblem ab März bei besserer Wetterlage noch einmal verschärfen wird. "Aber wir haben begonnen, die Notbremse zu ziehen – mit einer Obergrenze, die ein Richtwert ist", sagte er zum Gaudium innenpolitischer Kenner der jüngsten Wortklauberei zwischen Rot und Schwarz.

Auch die Ablehnung der EU-Sanktionen eint die beiden Politiker. Mitterlehner: "Wir können die Sanktionen leider nicht alleine aufheben. Das ist Teil des Minsker Prozesses (Waffenstillstand in der Ukraine, Anm.), aber unabhängig davon können wir unsere bilateralen Beziehungen stärken." Medwedew zeigte sich hoch zufrieden, dass die EU-Sanktionen von Österreichs Spitzenrepräsentanten regelmäßig als falsch bezeichnet werden. Sanktionen und russische Gegenmaßnahmen hätten großen wirtschaftlichen Schaden auf beiden Seiten bewirkt. Auch gegen die UdSSR hätte es zehn Mal Wirtschaftssanktionen gegeben, sagte Medwedew, gebracht hätten sie "Null-Komma-Nichts".

Ausbau der Pipeline

Nicht zuletzt verstehen sich Moskau und Wien auch beim Thema Energie und Gas sehr gut. Mitterlehner bekräftigte das Interesse Österreichs am Ausbau der Ostsee-Pipeline Nord Stream – von Russland nach Deutschland und weiter bis nach Österreich, unter Umgehung Osteuropas und der Ukraine. Das hat politischen Widerstand, etwa in Polen, ausgelöst.

Außerdem: Brüssel will Europa unabhängiger vom russischen Gas machen, was absurd ist, denn die Importmengen steigen. Für Medwedew ist Nord Stream das wichtigste russische Energieprojekt. Die OMV, aber auch deutsche und französische Konzerne wollen dabei sein.

Mitterlehner fürchtet keine neue Abhängigkeit von Russland, sondern erwartet vielmehr eine höhere Versorgungssicherheit. "Diese Sicherheit haben wir schon seit 48 Jahren."

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