Kirche gegen Kirche
Obwohl die Regierung in Podgorica seit der Unabhängigkeit die Position der montenegrinisch-orthodoxen Kirche zu stärken versucht, sind noch immer etwa 70 Prozent des 650.000 Einwohner-Staates Mitglieder der serbisch-orthodoxen Kirche. Da letztere am stärksten von dem neuen Gesetz betroffen ist, befürchtet diese nun eine "Enteignung" ihrer Kirche durch den Staat und lehnt den Beschluss vehement ab. Seit Wochen schließen sich Zehntausende serbisch-orthodoxe Anhänger den Donnerstags- und Sonntags-Demonstrationen an, mitorganisiert und gestützt vom Oberhaupt, Metropolitan Amfilohije Radovic. Bei den Kundgebungen im ganzen Land wird die Abschaffung des eben erst beschlossenen Gesetzes gefordert.
"Aggressive Kampagne"
Zusätzlich erschwert werden die Bemühungen der Regierung für einen Dialog durch die Beteiligung pro-serbischer Gruppierungen im In- und Ausland. Die montenegrinische Regierung spricht in diesem Zusammenhang von einer "extrem aggressiven und manipulativen Kampagne serbischer Medien" mit dem Ziel, "die Meinung zu beeinflussen und die Bevölkerung durch reißerische Schlagzeilen und Fehlinformation zu verängstigen und in Panik zu versetzen".
Der montenegrinische Botschafter in Wien versichert gegenüber dem KURIER, dass die Regierung in Podgorica jederzeit bereit sei, in einen offenen Dialog mit der serbisch-orthodoxen Gemeinde zu treten – wie das bereits mit allen anderen religiösen Gruppierungen innerhalb des Landes geschehen sei. Es sei ihm wichtig, festzuhalten festzuhalten, dass das Kirchengesetz keine Änderungen der Nutzungsrechte von Kirchen und Klöstern vorsehe.
Der montenegrinische Präsident Milo Djukanovic will sich den Massenprotesten nicht beugen. Djukanovic sagte, die Proteste würden von der pro-serbischen Opposition im Land und von der Führung in Belgrad instrumentalisiert, um Montenegro zu destabilisieren. Die Bürger müssten sich die Frage stellen, ob sie ihren Kindern "ein Montenegro als mittelalterlichen, theokratischen, serbischen Staat hinterlassen wollen oder als einen Bürgerstaat, eine multi-ethnische Demokratie, gegründet auf europäischen Werten", sagte Djukanovic.
Djukanovic führt bereits seit knapp drei Jahrzehnten die Geschicke seines Landes. Der Staatsführer, unter dessen Amtszeit die NATO-Mitgliedschaft und der Beginn der EU-Beitrittsverhandlungen fielen, ist jedoch keineswegs unumstritten. Die Anschuldigungen seiner Gegner setzten ihn zunehmend unter Druck. Nicht zuletzt deshalb erhoffte sich Djukanovic mit der Umsetzung des neuen Kirchengesetzes eine Entlastung von Vorwürfen gegen ihn wegen Korruption, Freunderlwirtschaft und Wahlbetrugs.
Hoffnungsschimmer
Indes gibt es zumindest erste Anzeichen einer Annäherung. Der serbische Patriarch appellierte kürzlich in der Öffentlichkeit, dass alles unternommen werden müsse, um die Lage in Montenegro zu beruhigen.
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