Mit Sanktionen kann man Putin nicht stoppen: Experte aus Moskau warnt

Mit Sanktionen kann man Putin nicht stoppen: Experte aus Moskau warnt
Russischer Wirtschaftsexperte: Nur mit Waffenlieferungen kann man Russen besiegen. Krieg ist für Putin leicht zu finanzieren.

Die USA und die EU werden Russland mit Wirtschaftssanktionen nicht vom Krieg gegen die Ukraine abbringen können, sagt der russische Ökonom Vladislav Inozemtsev. Die monatlichen Kriegskosten ließen sich durch die Einnahmen aus Energie-Exporten von gerade einmal zweieinhalb Tagen finanzieren. Die einzige Möglichkeit, den Krieg zu beenden, sei eine Niederlage Russlands. „Russland kann den Krieg leicht verlieren auf dem Feld“, die russischen Armee sei schwach und die Stimmung schlecht, so der Direktor des Zentrums für Studien über post-industrielle Gesellschaften mit Sitz in Moskau. Der einzig entscheidende Faktor sei daher derzeit die Lieferungen schwerer Waffen aus dem Westen.

Finanziell kaum schmerzhaft

Finanziell schmerze der Krieg Russland hingegen nicht. Unter anderem aufgrund der Exporte und der Verpflichtung der Exporteure, einen großen Teil der Einnahmen in Rubel zu tauschen, sei die russische Volkswirtschaft inzwischen gut auf die Situation eingestellt. Russlands Zentralbank habe sehr raffiniert auf die für Moskau überraschend harten Sanktionen des Westens reagiert und damit die anfängliche Nervosität beruhigt, sagte Inozemtsev, der am Donnerstag am Wiener Institut für Internationale Wirtschaftsvergleiche (WIIW) einen Vortrag hielt.

Flucht westlicher Firmen


Inozemtsev schätzt, dass die russische Wirtschaft heuer um 12 bis 15 Prozent schrumpfen wird. 80 Prozent dieses Rückgangs sei auf westliche Firmen, die Russland verlassen, zurückzuführen. Als Beispiel nannte der Wirtschaftswissenschafter die Kfz-Industrie. Diese sei stark von westlichen Bauteilen und Partnern abhängig. Inozemtsev bezweifelte, dass etwa Avtovaz ohne Renault die Produktion wieder aufnehmen kann. Dort soll ja laut Kreml-Plänen der Moskvitsch, das legendäre Auto aus Sowjetzeiten wieder gebaut werden.

Lkw aus Sowjetzeiten

Bei Lastwagen werde Russland versuchen, Motoren aus Sowjet-Zeiten zu bauen, schätzt der Kenner. Bei anderen Teilen erwartet Inozemtsev eine inoffizielle Einfuhr beispielsweise über die Türkei. Russland habe bereits den Import von 96 Gütern ohne Zertifizierung erlaubt. Die Probleme, die durch fehlende Komponenten in vielen Industriezweigen entstehen, seien dennoch „enorm“, so Inozemtsev. Sie würden etwa die Luftfahrt- oder die Bahnindustrie, aber auch die Verpackungsindustrie betreffen. Ohne westliches Equipment könne Russland auch seine Flüssiggas-Kapazitäten nicht erweitern.

"Eine Welt ohne Russland"


Inozemtsev geht davon aus, dass es spätestens Ende des Jahres in der EU ein Embargo auf russisches Öl gibt. Bei Gas äußert er Zweifel, da hier ein Lieferstopp Europa in eine Rezession stürzen lassen würde. Tiefgreifender seien die Auswirkungen jedoch in Russland selbst. „Die russische Wirtschaft wird nie wieder dieselbe sein“. Er prognostiziert - wirtschaftlich gesehen - „eine Welt ohne Russland“.

Kommentare