Brexit-Verhandler Barnier wird neuer französischer Premier

Brexit-Verhandler Barnier wird neuer französischer Premier
Der Konservative Michel Barnier leitete von 2016 bis 2021 die Gespräche der EU mit Großbritannien über den Brexit.

Frankreichs Präsident Emmanuel Macron hat nach zwei Monaten erfolgloser Suche den ehemaligen EU-Kommissar Michel Barnier (73) zum neuen Premierminister ernannt. Macron hat in den letzten Wochen mehrere Personen für den Posten erwogen. Bei keiner war zwecks stabiler Regierung eine genügende Parlamentsmehrheit zu erwarten.

Auch bei Barnier ist eine verlässliche parlamentarische Mehrheit nicht absehbar. Die Rechtspartei Rassemblement National (RN) hat aber signalisiert, dass sie Barnier unter bestimmten Bedingungen unterstützen würde.

Eine Barnier nahestehende Person hatte der Nachrichtenagentur Reuters zuvor gesagt, dass es Kontakte mit dem Präsidententeam gegeben habe.

Barnier leitete von 2016 bis 2021 die Gespräche der EU mit Großbritannien über den Austritt aus der Europäischen Union (Brexit). Vor seiner Arbeit als EU-Kommissar war der konservative Politiker in verschiedenen französischen Regierungen tätig.

Der RN-Abgeordnete Sebastien Chenu sagte dem Sender BFM TV, seine Partei werde abwarten, was Barnier zur Einwanderung und zur Änderung des französischen Wahlsystems zu sagen habe. Der RN-Abgeordnete Laurent Jacobelli sagte, seine Partei wolle, dass sich der künftige Premierminister dazu verpflichten, einer raschen Auflösung des Parlaments zuzustimmen. Als Termin nannte er den kommenden Juli.

1973 wurde er mit 22 Jahren zum jüngsten Generalrat Frankreichs gewählt. Er war jüngster Abgeordneter, viermal Minister, zweimal EU-Kommissar und schließlich Brexit-Verhandlungsführer.

Michel Barnier, der nun Brüssel beruhigen muss, während Frankreich seit Juni von einem Verfahren wegen übermäßigem Staatsdefizit betroffen ist, genießt in der europäischen Szene Respekt, nicht zuletzt aufgrund seiner nach harten Kämpfen erreichten Einigung für den Brexit Dezember 2020.

Barnier ist ein einflussreicher Kopf bei Frankreichs konservativen Républicains. Er blickt auf eine jahrzehntelange politische Karriere zurück. Er war Umweltminister unter dem sozialistischen Präsidenten François Mitterrand, Außenminister unter dem Konservativen Jacques Chirac und Landwirtschaftsminister unter dem ebenfalls konservativen Nicolas Sarkozy. Der gebürtige Ostfranzose arbeitete zudem mehrfach als EU-Kommissar. Er fungierte außerdem als Brexit-Chefunterhändler der Europäischen Union.

Geduldet von Konservativen und Rechtspopulisten

Ob Barnier eine mehrheitsfähige Regierung aufstellen kann, wird sich erst noch zeigen. Seine Konservativen hatten betont, nicht Teil einer Regierung sein zu wollen. Sie dürften eine Regierung von Barnier aber zumindest dulden. Die Unterstützung des Macron-Lagers dürfte dem neuen Premier gewiss sein. Schwer absehbar ist aber, wie er nötige Stimmen aus dem linken Lager bekommen könnte. Möglich, dass ihn am Ende die Rechtsextremen dulden - aus Zuspruch für Barniers restriktive Positionen im Bereich Migrationspolitik.

Mit dem Regierungswechsel wird der Liberale Macron Macht abgeben müssen. Der Premier anderer Couleur wird als Leiter der Regierungspolitik wichtiger. In der Außenpolitik behält Macron die Oberhand.

Emmanuel Macron und Michel Barnier (l.) in Paris am 23. Februar 2019.

Emmanuel Macron und Michel Barnier (l.) in Paris am 23. Februar 2019.

Haushalt für 2025 drängt

Macron hatte nach dem Erstarken der Rechtsextremen bei der Europawahl vorgezogene Neuwahlen ausgerufen. Jedoch verlor seine Gruppierung "Ensemble" bei der Abstimmung Anfang Juli die Mehrheit im Parlament. Erster nach Mandaten bei der vorgezogenen Parlamentswahl war eigentlich das Linksbündnis Nouveau Front Populaire vor Macrons Zentrumskräften und dem RN um Marine Le Pen. Eine absolute Mehrheit erhielt keines der Lager. Lange stockte daher die Regierungsfindung.

Die französische Verfassung gibt dem Staatsoberhaupt die Freiheit, für das Amt des Premierministers zu ernennen, wen er möchte. Die Herausforderung für Macron ist vor allem, einen Premier zu finden, der keine Mehrheit gegen sich aufbringt und somit durch ein Misstrauensvotum gestürzt werden könnte. Die neue Regierung wird unabhängig von ihrer Zusammensetzung vor schwierigen Aufgaben stehen, allen voran die Aufstellung eines Budgets für 2025.

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